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Testamentsvollstreckung und Stiftung

VON THORSTEN KLINKNER

 

In unserem ersten Beitrag zum Thema Testamentsvollstreckung haben wir erklärt, worin die Aufgaben des Testamentsvollstreckers bestehen und in welchen Situationen sich die Einsetzung eines solchen in der Praxis anbieten. In diesem zweiten Teil werden wir erläutern, weshalb die Systeme Testamentsvollstreckung und Stiftung sich ergänzen und nebeneinander genutzt werden können.

 

Ordnet der Erblasser an, den Nachlass durch eine bestimmte oder durch das Nachlassgericht zu bestimmende Person regeln zu lassen, nimmt er sein durch § 2197 Absatz 1 BGB vorgegebenes Recht in Anspruch, eine Testamentsvollstreckung über den Nachlass einzurichten. Diese kann als reine Abwicklungsvollstreckung, also lediglich zur (Auf-)Teilung des Nachlasses zur Vermeidung von Konflikten der Erben untereinander eingerichtet sein. Dann endet die Testamentsvollstreckung in dem Zeitpunkt, in dem alle Vermögensgüter dem Erblasserwillen entsprechend auf die Erben oder die Erbengemeinschaft aufgeteilt sind. Das weitere Schicksal der Vermögenswerte liegt ab diesem Zeitpunkt in den Händen der jeweiligen Erben. Auch einmalige Aufgaben wie die Regelung der Beerdigung des Erblassers, Erfüllung von noch bestehenden Verbindlichkeiten oder die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses sind solche des Testamentsvollstreckers. 


 

Gilt es die Verwaltung über einen längeren Zeitraum in die Hände des Testamentsvollstreckers zu geben, beispielsweise wenn die Zeiten von Minderjährigkeit der Erben oder familiärer Umordnungen überbrückt werden sollen, zielt die Testamentsvollstreckung auf eine Dauertestamentsvollstreckung ab. Hier gilt die gesetzlich vorgesehene Maximaldauer von grundsätzlich 30 Jahren. Oft erscheint es dem Erblasser jedoch zu unsicher, einer Person eine derart große Verantwortung aufzuerlegen, die Gefahr vom Tod und damit Wegfall des Testamentsvollstreckers in Kauf zu nehmen oder eine Einzelperson der zerstrittenen Erbengemeinschaft gegenüberzustellen.

 

In diesem Fall bietet es sich an, nicht nur eine langfristige Regelung, sondern eine auf Ewigkeit angelegte zu finden und die Vorteile einer personenunabhängigen Verwaltung mit der engen Verknüpfung vom Erblasserwillen und der individuellen Familienstruktur zu vereinen. Die Lösung bietet hier eine Stiftung. 

 

In einer Stiftungssatzung kann der Erblasser, der in dieser Funktion als Stifter bezeichnet wird, ähnlich einem Testament seinen persönlichen Willen niederschreiben und – dies unterscheidet die Stiftung von einem Testament – die ihm wichtigen Charaktereigenschaften, Leitlinien und sonstigen Vorgaben zur Leitlinie für alle Entscheidungen auf Ebene der Stiftung machen. Damit unterliegen auch Vermögensgegenstände, die in die Stiftung eingebracht werden können, dem vom Stifter für sie vorgesehenen Schicksal. Die Erben werden zu Begünstigten der Stiftung, Vermögensgüter können erhalten werden und unterliegen nicht den Bestimmungen von Teilungsversteigerung oder ähnlichen Instrumenten, die Vermögenswerte finanziell verwerten und damit in Stücke reißen können. Die einzelnen Personen bauen keine Erwartungen auf ein Erbe auf, sondern partizipieren und können sich im Rahmen der Stiftungsstruktur einbringen. 

 

Um die genannten Vorteile mit dem Instrument einer kurzfristigen Ordnung der Vermögenswerte zu verbinden, greifen Erblasser gerne zu dem Mechanismus der Stiftung von Todes wegen, die mithilfe der Testamentsvollstreckung ins Leben gerufen wird. In diesen Fällen erkennt der Vermögensinhaber die Vorteile einer dauerhaften Struktur anstelle einer einmaligen, endgültigen Aufteilung, hat jedoch vielleicht nicht mehr die Zeit oder die Kraft, diese noch zu seinen Lebzeiten mit Inhalten zu füllen und auf ihre Praktikabilität zu testen. 

 

 

Testamentsvollstreckung und Stiftung von Todes wegen 

 

Der Testamentsvollstrecker ist sodann mit der Aufgabe der Stiftungserrichtung inklusive dem Einleiten des Anerkennungsverfahrens bei der zuständigen Stiftungsbehörde betraut. Da für eine ordnungsgemäße Stiftungserrichtung eine Stiftungsverfassung unabdingbar ist, hat der Erblasser und gleichzeitig „Stifter von Todes wegen“ diese im optimalen Fall schon zu Lebzeiten erdacht. Hat er dies nicht, weil ihm hierzu entweder die Zeit oder das erforderliche Wissen fehlte, sollten wenigstens die Grundzüge der späteren Stiftung schon zu Papier gebracht worden sein. In diesem Fall wird die Stiftungsbehörde eine rudimentäre Satzung ergänzen. Erkennbar muss aber auch hier ein gewisser manifestierter Stifterwille sein. Keine Stiftungsbehörde wird „ins Blaue hinein“ dem Stifter nach dessen Ableben Worte und Leitlinien in den Mund legen, schließlich werden in einer Stiftungssatzung die Grundpfeiler von erheblichen vermögensrelevanten Entscheidungen gelegt, die mitunter den Verlauf von Lebenswegen der Familienmitglieder oder sonstigen Begünstigen beeinflussen können. 

 

Aus Beratersicht ist es natürlich zu empfehlen, dass – wenn so oder so schon die Stiftungssatzung zu Lebzeiten entwickelt wird – direkt auch die Stiftungsanerkennung zu Lebzeiten angegangen werden sollte. So wird die Stiftungserrichtung nicht aus der Hand gegeben und es muss gar nicht erst ein Dritter damit bedacht werden. 

 

Das Konstrukt einer Stiftung kann hingegen auch in einer weiteren Konstellation mit der Testamentsvollstreckung in Berührung kommen.

 

Stiftung selbst als Testamentsvollstreckerin 

 

Da als Testamentsvollstrecker prinzipiell auch eine juristische Person eingesetzt werden kann, spricht nichts dagegen, dass auch z.B. eine Familienstiftung als eine solche diese Aufgabe wahrnimmt. 

 

Dies ist sinnvoll, wenn die Stiftung gerade nicht Erbe von sämtlichem Vermögen aus der Erbmasse werden soll, denn in diesem Fall wäre die Erbfolge klar. Eine Stiftung als Testamentsvollstrecker macht hingegen dann Sinn, wenn der Verbleib von Vermögensgütern unklar ist oder außerhalb der Stiftungsstruktur geschehen soll. Profitiert werden kann hier von den ausgearbeiteten und klaren Strukturen und Aufgabenverteilungen einer Familienstiftung. Je nach Organisation und Regelungen in der Stiftungssatzung können wirtschaftliche Expertise (z.B. durch das Organ des Aufsichtsrates) sowie die familiären Belange (z.B. durch das Organ der Familienversammlung) berücksichtigt und eingebracht werden. Eine Stiftung folgt dem Ewigkeitsgedanken, das bedeutet, dass die Gefahr des Versterbens bei Einsetzung einer Stiftung als Testamentsvollstrecker nicht besteht. Da die Stiftungsbehörde im Rahmen des Anerkennungsverfahrens einer Stiftung auch deren Zukunftsfähigkeit anhand des zu verfolgenden Zwecks und des Stiftungsvermögens prüft, besteht auch keine Gefahr des Wegfallens wegen Überschuldung oder wirtschaftlicher Handlungsunfähigkeit, wie es beispielsweise bei einer GmbH weitaus häufiger der Fall ist.

 

Eine Familienstiftung als Testamentsvollstreckerin kann die Aufgabe der Ordnung der Erbmasse übernehmen, wenn zwar klar ist, dass ein Vermögensgegenstand daraus einem Familienmitglied zukommen oder unter mehreren Erben aufgeteilt werden soll, zunächst allerdings ein Überblick über diese Erbmasse verschafft werden muss. Die Stiftung arbeitet durch Beteiligung der entsprechenden familiär besetzten Organe und verknüpft diese mit den wirtschaftlichen Belangen, stellt jedoch durch ihre eigene Rechtspersönlichkeit und ihre Wirtschaftlichkeit eine davon getrennte juristische Persönlichkeit dar. Konflikte in einer Familie sind im besten Fall schon im Rahmen der Stiftungserrichtung offengelegt, befriedigt oder vermieden worden. Wünsche und Erwartungen sind zwischen den Beteiligten geklärt und die Beteiligten wissen, wo ihr Platz in der Familie, der Stiftung und der gesamten Struktur ist bzw. sein kann. Dies ist eine optimale Grundlage für die Verteilung einer Erbmasse, auch wenn diese vielleicht nur zu Teilen in die Stiftung selber einfließen soll.  

 

Diese beiden strukturellen Beispiele einer Verbindung von Testamentsvollstreckung und Stiftung sollen aufzeigen, dass jede familiäre und wirtschaftliche Situation einer Lösung zugeführt werden kann, die konfliktfrei und zukunftssicher ist. Dabei spielt die Stiftung niemals die Rolle eines aktiven Streitschlichters, die zwischen den Familienmitgliedern steht: Sie ist vielmehr der Ausdruck davon, dass Mitglieder zur Mitgestaltung eingeladen werden, ohne hierbei ihre eigenen individuellen Lebensstile, -wege und Fähigkeiten aufgeben zu müssen. 

 

Wir sind im Rahmen eines jeden Beratungsprojektes immer wieder aufs Neue auf der Suche nach der passenden Gestaltung. Bezogen auf die Aspekte der Testamentsvollstreckung sollte dieser Beitrag nur einige der vielen Situation aufzeigen, in denen die Nachfolgeplanung mit einer Familienstiftung gelingen kann. In unserem nächsten Beitrag werden wir über die Fälle sprechen, in denen die Testamentsvollstreckung an ihre Grenzen stößt und in denen nur die Einbeziehung bzw. Errichtung einer Stiftung Zukunftssicherheit und Ruhe vermitteln kann.