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Das Berliner Testament und seine Fallstricke

Das Berliner Testament und seine Fallstricke

VON THORSTEN KLINKNER

 

 

Das Berliner Testament ist eine beliebte und oft genutzte Möglichkeit, wie Eheleute sich gemeinsam um ihr Vermögen und die gewünschte Erbfolge kümmern können. Dabei setzen sich die Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben ein. Sie bestimmen weiterhin, dass nach ihrem Versterben das sodann entstandene Gesamtvermögen an einen oder mehrere Personen als Dritte gehen soll. In den meisten Fällen sehen die Eheleute hier die eigenen Kinder vor.


Fallstrick Bindungswirkung

 

Der Vorteil des Berliner Testaments ist es, die gesetzliche Erbfolge unter Erhaltung einer rechtlichen Bindungswirkung umgehen zu können, indem der überlebende Ehepartner zunächst mit dem vollen Vermögen der beiden Eheleute weiterleben kann. Oft vergessen, aber dabei unbedingt zu beachten: Die Kinder, wenn somit zunächst enterbt, können dennoch einen ihnen per Gesetz zustehenden Pflichtteil geltend machen. 

 

Der Vorteil dieser grundsätzlichen Unangreifbarkeit der Regelung ist allerdings zugleich auch deren Nachteil. Ist ein Partner verstorben, ist der Verbliebene wegen der rechtlichen Bindungswirkung nur in sehr eingeschränktem Umfang in der Lage, anderslautende Verfügungen zu treffen. 

 

Dies stellt sich dann als Fallstrick dar, wenn es nach dem Ableben des ersten Ehegatten zu Zerwürfnissen zu den Kindern oder neuartigen Lebenssituationen kommt. Sind dann keine Änderungsvorbehalte in dem einst verfassten gemeinschaftlichen Testament enthalten, kann sich der andere Ehegatte nur schwer von den Beschränkungen lösen. Aus diesem Grund sollten niemals unbedacht derartige Verfügungen getroffen werden.

 

Fallstrick Unternehmen

 

Ist einer der Eheleute Unternehmer oder Unternehmerin, muss zwingend der Gesellschaftsvertrag beachtet werden, wenn wechselseitig verfügt werden soll. 

 

Geschieht dies nicht oder werden Regelungen beim Verfügen vergessen oder falsch verstanden, widersprechen die erbrechtlichen Regelungen denen im Gesellschaftsvertrag. Wird z.B. gesellschaftsvertraglich bestimmt, dass ein Kind den Gesellschaftsanteil des Unternehmers oder der Unternehmerin erben soll, wird aber nachfolgend per Berliner Testament der andere Ehepartner als Alleinerbe eingesetzt, sodass die Kinder nur Schlusserbenstellung einnehmen, führt der gute Wille der Testierenden zu einem unbeabsichtigten Widerspruch. Das eigentlich für den Unternehmensanteil vorgesehene Kind verfügt zwar über die notwendige Qualifikation für die Fortführung und hat bereits in Vorbereitung seines Eintritts gewisse Erwartungen aufgebaut, es wird aber durch die gemeinschaftlichen Verfügungen zunächst enterbt. Der als Erbe eingesetzte Ehepartner verfügt aber in den meisten Fällen nicht über die notwendige Qualifikation. Somit würde auf unternehmerischer Ebene im Ernstfall eine Handlungsunfähigkeit mit unvorhersehbaren wirtschaftlichen Auswirkungen entstehen.

 

Handelt es sich bei dem Unternehmen also beispielsweise um eine OHG oder GbR, wird der Ehepartner, der nicht die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen erfüllt, in der Regel gegen eine Abfindung aus dem Unternehmen ausscheiden. Sein Anteil wird unter den übrigen Gesellschaftern aufgeteilt. Das Unternehmen wird fortgeführt, ohne dass die Abkömmlinge hierauf Einfluss nehmen können. 

 

Besonders stark sind die finanziellen Auswirkungen dieser widersprüchlichen Bestimmungen, wenn auf Ebene der Gesellschaft eine Abfindung nur in Höhe der Buchwertklausel vorgesehen ist. Daraus ergibt sich in der Regel ein geringerer Auszahlungsbetrag, als wenn sich die Abfindung nach dem Verkehrswert errechnen würde. Dieser gesellschaftsrechtlichen Formulierung kann in einigen Fällen mit dem Hinweis auf die Sittenwidrigkeit begegnet werden, jedoch sind hierfür sehr enge Voraussetzungen zu erfüllen, sodass dies nicht den Regelfall darstellen dürfte.

 

Die darüber hinaus bestehende Gefahr der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven und den damit entstehenden steuerlichen Konsequenzen sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt. 

Unternehmerisch gesehen ist in jedem Fall eine private testamentarische Verfügung des Unternehmers mit gewisser Vorsicht zu sehen. Den Verfügenden ist meist die drohende Gefahr für ihr Unternehmen wegen eines Widerspruches von Erb- und Gesellschaftsrecht gar nicht bewusst. Häufig sehen sich daher Unternehmer mit dem Wunsch ihrer Mitgesellschafter konfrontiert, ihren Unternehmensanteil aus sämtlichen erb- oder eherechtlichen Vereinbarungen herauszuhalten.

 

Familiär entstehen so aus enttäuschten Erwartungen Spannungen, Krisen und Konflikte, die sich nach dem Tod des Verfügenden auch nicht mehr lösen lassen können. 

 

Entfall der Bindungswirkung

 

Grundsätzlich kann nach dem Tod des erstversterbenden Ehepartners die Bindungswirkung nicht mehr aufgehoben werden. Der einmal getroffene Wille setzt eine verbindliche Leitlinie für die weitere Vermögensplanung der Testierenden. 

 

Eine Bindungswirkung entfällt nur in den Ausnahmefällen, in denen das gemeinschaftliche Testament eine Abänderungsbefugnis ausdrücklich vorsieht oder aber im Rahmen von besonderen Ereignissen wie Wiederheirat oder wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt. Allgemein entfällt sie auch dann, wenn beide Ehegatten zu Lebzeiten einen notariellen Widerruf erklären. Es soll an dieser Stelle nochmals Erwähnung finden, dass dieses Recht zum Widerruf grundsätzlich mit dem ersten Todesfall erlischt. 

 

Anforderungen an die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen 

 

Die Verfügungen von Ehepartnern mit wechselseitigem Bezug sind nur dann als solche bindend, wenn vermutet werden kann, dass einer der Ehegatten diese nicht ohne den anderen getroffen hätte. Diesen Grundsatz enthält die Regelung des § 2270 BGB. 

 

Wenn nach dem anderen überlebenden Ehepartner die gemeinsamen Kinder als Schlusserben bedacht werden sollen, ist unproblematisch von einer solchen Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszugehen, weil die Eheleute ihre Kinder nachhaltig für die Zukunft absichern wollen und vermutet wird, dass dies im Regelfall auch ihrem gemeinsamen Willen entspricht. 

 

Werden allerdings nur die Verwandten des überlebenden Ehegatten als Schlusserben eingesetzt, stellt sich die Frage, ob dies tatsächlich der gemeinsame Wille der beiden Eheleute ist.

 

Liegen objektiv messbare Umstände wie z.B. erhebliche Unterschiede im Alter oder eine sehr einseitige Vermögensverteilung vor, ist im Zweifel die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen abzulehnen, da ansonsten die einseitige Bevor- bzw. Benachteiligung einer der Ehepartner besteht und ein wirtschaftliches Ungleichgewicht geschaffen wird. 

 

Gibt es keine gemeinsamen Kinder, können Eheleute jedoch trotzdem unter Umständen ein Berliner Testament errichten. Wird allerdings statt der Kinder eine gemeinnützige Organisation zum Schlusserben bestimmt, ist in den meisten Fällen von einer fehlenden Wechselbezüglichkeit auszugehen. Den Eheleuten stellt sich in solch einem Fall jedoch regelmäßig die Möglichkeit, eine Familienstiftung zum Schlusserben einzusetzen. In diesem Fall soll die Wechselbezüglichkeit zu bejahen sein, wenn das Vermögen der beiden Beteiligten der Nachwelt hinterlassen werden soll und dadurch eine Weitergabe des Erbes stattfindet. 

 

Die jeweilige rechtliche Beurteilung unterliegt in allen Varianten jeweils der einzelfallbezogenen Prüfung. 

 

Verbindung mit einer Stiftungsstruktur

 

Eine Stiftung kann demnach grundsätzlich als Schlusserbe in einem Berliner Testament eingesetzt werden. Noch vorteilhafter ist es in den meisten Fällen, wenn die Stiftungsstruktur selbst als Mittel der Wahl zur Gestaltung der Weitergabe von Vermögensgütern genutzt wird. Hierdurch können Vorteile hinsichtlich der erb- und schenkungssteuerlichen Bestimmungen genutzt werden. Zudem ist eine Stiftung als Baustein der Nachfolgeplanung und Projekt der ganzen Familie gestaltbar. In der Entwicklung können sämtliche Beteiligte von Beginn an eine Stimme in der Mitentwicklung erhalten.

 

Dadurch bedarf es der Instrumente wie Erbverträge, Testamente oder Eheverträge nicht mehr, wenn alle Familienmitglieder mit all ihren persönlichen Zielen und Vorstellungen beachtet und in die Planungen miteinbezogen werden. Die Familienstiftung kann so zum stabilen Familienmitglied werden, einschneidenden Erlebnissen wie Scheidung, Krankheit oder sogar Tod kann sie eine stabile, verlässliche Struktur erfolgreich entgegenhalten und der Familie Halt und Vertrauen geben.