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Fair Vererben - der Pflichtteil

VON THORSTEN KLINKNER

 

Im ersten Teil unseres Beitrages haben wir aufgezeigt, welche Schwierigkeiten sich im Rahmen von Bewertung von Vermögensgütern stellen und weshalb dieser vorbereitende Schritt schon zum Dreh- und Angelpunkt von Konflikten in der Familie wird. Ein weiterer konfliktträchtigter Aspekt ist die Frage, welche Ansprüche solchen Familienmitgliedern zustehen, die im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge zu den Erben gehören, jedoch in der Erbfolge übergangen werden. Diese Ansprüche werden nicht selten bei der Planung durch den Erblasser vergessen und stellen dann für die Erben eine oft unüberwindbare finanzielle Herausforderung dar.


Thema Pflichtteil

 

Ein bei Vererbung immer zu beachtender Punkt ist derjenige des Pflichtteils. Nicht bedachte Erben haben wegen den Regelungen der §§ 2303 ff. BGB einen Anspruch auf einen Pflichtteil in der Höhe der Hälfte ihres theoretisch bestehenden gesetzlichen Erbteils. 

 

Werden diese Ansprüche nicht schon durch den Erblasser bedacht und z.B. entsprechende Ausgleichszahlungen zu Lebzeiten vorgenommen, sehen sich die Erben mit diesen Ansprüchen von Pflichtteilsberechtigten konfrontiert. Je nach Höhe der Erbmasse stellt sich die Befriedigung dieser Ansprüche als schwierig bis unmöglich dar, sodass zugewendete Vermögensgüter im Notfall sogar veräußert werden müssen, um dem nachzukommen. 

 

Pflichtteilsansprüche verjähren nach den §§ 195, 199 Absatz 1 BGB nach drei Jahren. Alleine auf die Hoffnung, dass bis zu diesem Zeitpunkt kein Berechtigter seine Ansprüche geltend macht, darf jedoch die Nachfolgeplanung nicht gestützt werden. 

 

Möglichkeit: Pflichtteilsverzicht 

 

Rechtliche Planungssicherheit geben Pflichtteilsverzichte der übergangenen Erben, wodurch diese rechtlich verbindlich auf eine spätere Geltendmachung dieses Anspruches verzichten. In der Regel handelt es sich dabei um Kinder und Ehegatten. Diese Vereinbarungen sind schon zu Lebzeiten des Erblassers möglich, erfordern allerdings intensive Gespräche und oftmals Abfindungsregelungen zur Befriedung der Konfliktherde. Der Erblasser muss gegenüber den Berechtigten, die er nicht bedenken möchte, darlegen können, aus welchen Gründen er einen Pflichtteilsverzicht einfordert. Gelingt ihm dies nicht und können die Berechtigten nicht nachvollziehen, weswegen sie nicht bedacht sind, wird sich wohl kaum ein wirksamer Pflichtteilsverzicht durch sie erlangen lassen.  

 

Möglichkeit: Entzug des Pflichtteils

 

Bei offenen Konflikten in der Familie gibt das Gesetz mit § 2333 BGB das Instrument des Pflichtteilsentzugs an die Hand. Um dem übergangenen Erben auch diesen letzten Anspruch zu nehmen, müssen allerdings besondere Gründe vorliegen. Da es sich hier um Sachverhalte handelt, die zumindest nicht den Regelfall der Familienkonstellationen abbilden dürften (Verbrechen gegenüber dem Erblasser, Verurteilungen wegen vorsätzlichen Straftaten oder dem Erblasser nach dem Leben trachtende Abkömmlinge), soll daher an dieser Stelle nicht weiter hierauf eingegangen werden. 

 

Familienstiftung und der Pflichtteil

 

Um eines vorweg zu nehmen: Auch eine Stiftung kann sich mit Pflichtteilsansprüchen konfrontiert sehen. Im Gegensatz zu den Erblösungen wird ihnen mit einer Stiftung jedoch auf eine viel effektivere Weise vorgebeugt.  

Das Wesen der Familienstiftung ist es, Konflikte innerhalb der Familie gerade abzubauen bzw. diese zu vermeiden. Unser Beratungsansatz dabei ist es nicht zuletzt aus diesem Grund, bei der gesamten gedanklichen Vorarbeit die Familie als Verbund von einzelnen Persönlichkeiten mit jeweils ganz persönlichen individuellen Erwartungen, Vorstellungen und Wünschen zu sehen. Dabei müssen zwingend auch auf den ersten Blick unangenehm wirkende Themen wie Krankheiten, Tod, finanzielle Unsicherheiten und persönliche Konflikte, die schwelen, angesprochen werden. Mit allen Beteiligten wird daher auch die Thematik von Pflichtteilen und deren Bestehen im Todesfall ganz offen kommuniziert und erklärt, dass eine Stiftungsstruktur gerade den Vorteil bietet, die konfliktgeladenen Erbregelungen zu vermeiden. Wird dann noch das Wesen des Pflichtteils genauer betrachtet, wird deutlich, dass es dieses Instrumentes durch die Stiftung gar nicht mehr bedarf: Der Pflichtteil soll einen Ausgleich für übergangene Erben aus Gerechtigkeitsgrundsätzen heraus bieten. In einer Stiftungsstruktur gibt es dieses „Übergehen“ jedoch nicht, da der Stifter eine Einladung an die Familienmitglieder ausspricht, sich aktiv an dieser Struktur zu beteiligen und sie durch Begünstigungen aus der Stiftung heraus sehr wohl in den Genuss eines finanziellen Bedenkens geraten. 

 

Der Stifter hat zudem die Möglichkeit, durch die Errichtung der Stiftung schon zu Lebzeiten Erwartungen zu begegnen und Stiftung als Projekt der gesamten Familie auszugestalten. Jedem einzelnen Familienmitglied wird so klar vor Augen geführt, dass die Stiftung nicht dazu dient, Vermögenswerte vor ihnen zu verschließen oder „wegzuübertragen“, sondern aus dem sicheren Hafen heraus die Familie an den Erträgen partizipieren zu lassen. Es kann daher schon eine lebzeitige Versorgung und Unterstützung in einer Stiftungssatzung vorgesehen werden, wenn dies durch den Stifter gewünscht ist. 

 

Zuletzt wird einmal mehr deutlich, weshalb eine frühzeitige Nachfolgeplanung auch aus rechtlichen Gesichtspunkten zu raten ist: Fürchtet ein Erblasser die Pflichtteilsergänzungsansprüche von Pflichtteilsberechtigten, wird er durch die Regelung des § 2325 Absatz 3 BGB beruhigt werden können: Nach dem darin enthaltenen sogenannten Abschmelzungsmodell werden Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten tätigt, nur im ersten Jahr vor dem Erbfall in Gänze berücksichtigt und in dieser Höhe für eine Pflichtteilserhöhung herangezogen. In jedem weiteren dem Erbfall vorangehenden Jahr wird jeweils ein Zehntel bei der Hinzurechnung außer Acht gelassen, sodass Schenkungen, die zehn Jahre vor dem Erbfall und davor getätigt wurden, bei einer Berechnung eines Pflichtteilsanspruches rechnerisch unbeachtlich sind. Kümmert sich der Erblasser also frühzeitig vor seinem Ableben um die Nachfolge und tätigt frühzeitig Vermögensübertragungen, kann die vermeintlich bestehende „Gefahr“ der Inanspruchnahme durch übergangene Erben auch alleine durch den Zeitablauf relativiert werden. 

 

Familienmitglieder wissen darüber hinaus im Optimalfall um den Nutzen einer Familienstiftung für sie persönlich und werden sich nicht auf einen Pflichtteilsanspruch berufen, wenn sie zuvor mit der Ausgestaltung einer Familienstiftung vertraut gemacht und ihre Ziele mit bedacht wurden. 

 

Ist dies allen Beteiligten klar und fühlen sie sich einbezogen, werden sie im Zweifel diesen Pflichtteilsverzicht auch rechtlich verbindlich gegenüber dem Stifter und damit eine offizielle Hinwendung zur Stiftung zu erkennen geben. 

 

Fazit

Treffen nun zusammenfassend eine frühzeitige Planung, die Einbeziehung aller Familienmitglieder mit ihren individuellen Erwartungen, die unterschiedlichen Anforderungen an den Umgang und den Erhalt von Vermögensgütern und eine Stiftungsstruktur mit detailliert ausgearbeiteter Stiftungssatzung aufeinander, so trifft der Erblasser bzw. sodann Stifter die bestmögliche Entscheidung für sein Vermögen und die ihm Nahestehenden.