Testament, Pflichtteil und Stiftung IV

Das Berliner Testament und seine Fallstricke

Das Berliner Testament ist eine beliebte und oft genutzte Möglichkeit, sich als Ehepaar gemeinsam um das Vermögen und die gewünschte Erbfolge zu kümmern. Dabei setzen sich die Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner gegenseitig als Alleinerben ein. Sie bestimmen, dass ihrem Versterben nach das entstandene Gesamtvermögen an einen oder mehrere Personen als Dritte gehen soll. In den meisten Fällen sehen die Eheleute hier die eigenen Kinder vor.


Bindungswirkung im Berliner Testament: Fallstrick Nr. 1

Der Vorteil des Berliner Testaments ist es, die gesetzliche Erbfolge unter Erhaltung einer rechtlichen Bindungswirkung umgehen zu können, indem der überlebende Ehepartner zunächst mit dem vollen Vermögen der beiden Eheleute weiterleben kann.

 

Oft vergessen, aber dabei unbedingt zu beachten: Die Kinder, somit zunächst enterbt, können dennoch einen ihnen per Gesetz zustehenden Pflichtteil geltend machen. Der Vorteil dieser grundsätzlichen Unangreifbarkeit der Regelung ist zugleich auch deren Nachteil. Ist ein Partner verstorben, ist der Verbliebene wegen der rechtlichen Bindungswirkung nur in sehr eingeschränktem Umfang in der Lage, anderslautende Verfügungen zu treffen.

 

Dies stellt sich dann als Fallstrick dar, wenn es nach dem Ableben des ersten Ehegatten zu Zerwürfnissen mit den Kindern oder neuartigen Lebenssituationen kommt. Sind dann keine Änderungsvorbehalte in dem einst verfassten gemeinschaftlichen Testament enthalten, kann sich der andere Ehegatte nur schwer von den Beschränkungen lösen. Aus diesem Grund sollten niemals unbedacht derartige Verfügungen getroffen werden.


Unternehmen im Berliner Testament: Fallstrick Nr. 2

Ist einer der Eheleute Unternehmer*in, muss zwingend der Gesellschaftsvertrag beachtet werden, wenn wechselseitig verfügt werden soll. Geschieht dies nicht oder werden Regelungen beim Verfügen vergessen oder missverstanden, widersprechen die erbrechtlichen Regelungen denen im Gesellschaftsvertrag.


Wird z.B. gesellschaftsvertraglich bestimmt, dass ein Kind den Gesellschaftsanteil eines Unternehmerteils erben sollte, wird aber nachfolgend per Berliner Testament der andere Ehepartner als Alleinerbe eingesetzt, führt der gute Wille der Testierenden zu einem unbeabsichtigten Widerspruch. Das eigentlich für den Unternehmensanteil vorgesehene Kind verfügt zwar über die notwendige Qualifikation für die Fortführung und hat bereits in Vorbereitung seines Eintritts gewisse Erwartungen aufgebaut, es wird aber durch die gemeinschaftlichen Verfügungen zunächst enterbt.
Der als Erbe eingesetzte Ehepartner besitzt aber in den meisten Fällen nicht die notwendige Qualifikation. Somit würde auf unternehmerischer Ebene im Ernstfall eine Handlungsunfähigkeit mit unvorhersehbaren wirtschaftlichen Auswirkungen entstehen.

 

Handelt es sich bei dem Unternehmen beispielsweise um eine OHG oder GbR, wird der Ehepartner, der nicht die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen erfüllt, in der Regel gegen eine Abfindung aus dem Unternehmen ausscheiden. Sein Anteil wird unter den übrigen Gesellschaftern aufgeteilt. Das Unternehmen wird fortgeführt, ohne dass die Abkömmlinge hierauf Einfluss nehmen können.


Besonders stark sind die finanziellen Auswirkungen dieser widersprüchlichen Bestimmungen, wenn auf der Ebene der Gesellschaft eine Abfindung nur in Höhe der Buchwertklausel vorgesehen ist. Daraus ergibt sich in der Regel ein geringerer Auszahlungsbetrag, als wenn sich die Abfindung nach dem Verkehrswert errechnen würde. Dieser gesellschaftsrechtlichen Formulierung kann in einigen Fällen mit dem Hinweis auf die Sittenwidrigkeit begegnet werden, jedoch sind hierfür sehr enge Voraussetzungen zu erfüllen, sodass dies nicht den Regelfall darstellen dürfte. Die darüber hinaus bestehende Gefahr der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven und den damit entstehenden steuerlichen Konsequenzen sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt.


Unternehmerisch gesehen ist in jedem Fall eine private testamentarische Verfügung des Unternehmers mit gewisser Vorsicht zu sehen. Den Verfügenden ist meist die drohende Gefahr für ihr Unternehmen wegen eines Widerspruches von Erb- und Gesellschaftsrecht gar nicht bewusst. Häufig sehen sich daher Unternehmer mit dem Wunsch ihrer Mitgesellschafter konfrontiert, ihren Unternehmensanteil aus sämtlichen erb- oder eherechtlichen Vereinbarungen herauszuhalten.


Doch auch ein anderer Aspekt ist wichtig. Auch familiär entstehen aus enttäuschten Erwartungen Spannungen, Krisen und Konflikte, die sich nach dem Tod des Verfügenden nicht mehr lösen lassen können.

Entfall der Bindungswirkung im Berliner Testament: Fallstrick Nr. 3

Grundsätzlich kann nach dem Tod des erstversterbenden Ehepartners die Bindungswirkung nicht mehr aufgehoben werden. Der einmal getroffene Wille setzt eine verbindliche Leitlinie für die weitere Vermögensplanung der Testierenden.
Eine Bindungswirkung entfällt nur in den Ausnahmefällen, in denen das gemeinschaftliche Testament eine Abänderungsbefugnis ausdrücklich vorsieht oder aber im Rahmen besonderer Ereignisse wie Wiederheirat oder wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt.


Allgemein entfällt sie auch dann, wenn beide Ehegatten zu Lebzeiten einen notariellen Widerruf erklären. Es soll an dieser Stelle nochmals Erwähnung finden, dass dieses Recht zum Widerruf grundsätzlich mit dem ersten Todesfall erlischt.

 


Gerne prüfen wir Ihre Situation und Ihre Handlungsmöglichkeiten konkret und individuell.


Wechselbezüglichkeit von Verfügungen im Testament: Fallstrick Nr. 4

Die Verfügungen von Ehepartnern mit wechselseitigem Bezug sind nur dann als solche bindend, wenn vermutet werden kann, dass einer der Ehegatten diese nicht ohne den anderen getroffen hätte. Diesen Grundsatz enthält die Regelung des § 2270 BGB.


Wenn nach dem anderen überlebenden Ehepartner die gemeinsamen Kinder als Schlusserben bedacht werden sollen, ist unproblematisch von einer solchen Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszugehen, weil die Eheleute ihre Kinder nachhaltig für die Zukunft absichern wollen und vermutet wird, dass dies im Regelfall auch ihrem gemeinsamen Willen entspricht.


Werden allerdings nur die Verwandten des überlebenden Ehegatten als Schlusserben eingesetzt, stellt sich die Frage, ob dies tatsächlich der gemeinsame Wille der beiden Eheleute ist.

 

Liegen objektiv messbare Umstände wie z.B. erhebliche Altersunterschiede oder eine sehr einseitige Vermögensverteilung vor, ist im Zweifel die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen abzulehnen, da sonst die einseitige Bevor- bzw. Benachteiligung einer der Ehepartner besteht und somit ein wirtschaftliches Ungleichgewicht geschaffen wird. Gibt es keine gemeinsamen Kinder, können Eheleute unter Umständen trotzdem ein Berliner Testament errichten. Wird allerdings statt der Kinder eine gemeinnützige Organisation zum Schlusserben bestimmt, ist in den meisten Fällen von einer fehlenden Wechselbezüglichkeit auszugehen.


Den Eheleuten stellt sich in solch einem Fall jedoch regelmäßig die Möglichkeit, eine Familienstiftung zum Schlusserben einzusetzen. In diesem Fall wird die Wechselbezüglichkeit zu bejahen sein, da das Vermögen der beiden Beteiligten der Nachwelt hinterlassen werden soll und dadurch eine Weitergabe des Erbes stattfindet. Die jeweilige rechtliche Beurteilung unterliegt in allen Varianten jeweils der einzelfallbezogenen Prüfung.

 

Berliner Testament und eine Stiftungsstruktur: Ein Lösungsansatz

Eine Stiftung kann demnach grundsätzlich als Schlusserbe in einem Berliner Testament eingesetzt werden. Noch vorteilhafter ist es in den meisten Fällen, wenn die Stiftungsstruktur selbst als Gestaltungsmittel der Weitergabe von Vermögensgütern genutzt wird. Hierdurch können Vorteile hinsichtlich der erb- und schenkungssteuerlichen Bestimmungen genutzt werden. Zudem ist eine Stiftung als Baustein der Nachfolgeplanung und Projekt der ganzen Familie gestaltbar. In der Entwicklung können sämtliche Beteiligte von Beginn an eine Stimme in der Mitentwicklung erhalten.


Dadurch bedarf es der Instrumente Erbverträge, Testamente oder Eheverträge nicht mehr, da alle Familienmitglieder mit all ihren persönlichen Zielen und Vorstellungen beachtet und in die Planungen miteinbezogen werden.

 

Die Familienstiftung kann so zum stabilen Familienmitglied werden und einschneidenden Erlebnissen wie Scheidung, Krankheit oder Tod kann sie erfolgreich eine beständige, verlässliche Struktur entgegenhalten und der Familie Halt und Vertrauen geben.

Zwischenfazit zu Testament und Stiftung
Wir haben die Bandbreite an Möglichkeiten, die sich den Erblassern, besonders dem- oder derjenigen mit unternehmerischem Hintergrund, bei der Nachfolgeplanung verdeutlicht.
Dabei sollten die Planungen nicht getrennt hinsichtlich des privaten bzw. unternehmerischen Vermögens erfolgen.


Wie gezeigt, kommt es gerade durch den unternehmerischen Bezug des Erblassers häufig zu Überschneidungen der beiden Lebenswelten. Deshalb sollten Nachfolgeregelungen vielmehr als eine Gesamtheit von Vermögenswerten und als komplexes Gebilde mit Synergieeffekt gesehen werden. Der Grundstein einer erfolgreichen und nachhaltigen Planung des eigenen Nachlasses muss die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Vorstellungsbild sowie die Berücksichtigung der Wünsche der einzelnen Beteiligten sein. Dies lässt sich am erfolgversprechendsten bewerkstelligen, wenn sich dabei die juristischen Möglichkeiten nicht ausschließen, sondern nützlich ergänzen.


Eine Familienstiftung stellt einen dieser Bausteine und gleichzeitig eine auf Ewigkeit gerichtete personenunabhängige Verwaltung des Nachlasses dar. Wenn gewünscht, können und sollten die übrigen Bausteine wie Testamente oder Gesellschaftsverträge mit der Stiftungsidee einhergehen und diese ergänzen.
Das Ziel einer guten und fundierten rechtlichen und steuerlichen Beratung ist es daher, auf der Basis dieser Gestaltungsmöglichkeiten die Vorteile der einzelnen Bausteine zu nutzen und im Sinne einer ganzheitlichen Familien- und Unternehmensplanung umzusetzen. Oder anders formuliert, die Stimmen in einer Sinfonie, nachhaltig und in Berücksichtigung ihrer eigenen Tonalität für die Ewigkeit zum Klingen zu bringen.

Haben Sie Fragen zur Errichtung einer Stiftung oder wollen Sie diese Option prüfen, schauen Sie gern nach unseren Beratungsangeboten oder sprechen Sie unsere Ansprechpartner persönlich an. Falls es Sie interessiert, wie wir arbeiten, können Sie das hier nachlesen.




Ihre persönliche Ansprechpartnerin bei uns :

Marion Itjeshorst

Sie haben Fragen oder möchten einen Beratungstermin? Sehr gerne können Sie mit Frau Itjeshorst telefonisch oder per E-Mail Termine vereinbaren:

marion.itjeshorst@unternehmerkompositionen.de oder unter: +49 (0) 2132 915 74 90



Materialsammlung zu Stiftung und Testament

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