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Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. August 2022 V R 15/20

Keine unionsrechtliche Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers zur Anerkennung eines bereits nach ausländischem Recht anerkannten Gemeinnützigkeitsstatus

 

Mit seiner Entscheidung vom 18.08.2022 (V R 15/20; Vorinstanz: Niedersächsisches Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 04.05.2020 – 6 K 53/18) hat der Bundesfinanzhof (BFH) die erstinstanzliche Entscheidung des 6. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts aufgehoben und im Ergebnis einer nach österreichischem Recht gegründeten und nach österreichischen Recht als gemeinnützig anerkannten Stiftung die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach deutschen Gemeinnützigkeitskriterien versagt.

 

Ausgangspunkt der Entscheidung

Ausgangspunkt für die Gerichtsverfahren war die Versagung des Antrags der österreichischen Stiftung auf Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen gemäß § 60a der deutschen Abgabenordnung (AO) mit der im Ergebnis die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus in Deutschland angestrebt werden sollte.

 

Hintergrund der Entscheidung

Hintergrund hierfür ist, dass ausländische Stiftungen mit inländischen Einkünften in Deutschland der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen und eine Steuerbefreiung als gemeinnützige Stiftungen nur unter den engen Voraussetzungen der § 5 Abs.2 Nr.2 KStG i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.9 KStG erreichen können. In diesem Zusammenhang muss auch eine bereits nach ausländischem Recht als gemeinnützig anerkannte Stiftung das Feststellungsverfahren nach § 60a AO durchführen und den satzungsmäßigen und gemeinnützigen Voraussetzungen des deutschen Steuerrechts genügen.

 

In diesem Zusammenhang stellt der BFH in seiner Entscheidung vom 18.08.2022 klar, dass der nationale Gesetzgeber unionsrechtlich nicht verpflichtet ist, einen Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht anzuerkennen. Mit Bezug auf die bisherige EuGH-Rechtsprechung (EuGH Urteil v. 14.09.2006 - C-386/04, Centro di Musicologia Walter Stauffer; EuGH v. 27.01.2009 - C-318/07, Persche) verweist der BFH darauf, dass die Mitgliedstaaten - sofern das Unionsrecht beachtet wird - in ihrer Entscheidung frei sind zu definieren, unter welchen Kriterien sie eine Steuerbefreiung für gemeinnützige Tätigkeiten gewähren. Bevor die Mitgliedstaaten einer Stiftung eine Steuerbefreiung gewähren, dürfen sie nachprüfen, ob die Stiftung nach jeweils nationalem Recht die vorgeschriebenen Voraussetzungen für eine solche Steuerbefreiung erfüllt.

 

Hierbei ist auch für ausländische Stiftungen bei der Prüfung der formellen Satzungsmäßigkeit ihrer nach ausländischen Recht erstellten Satzungen bzw. Statuten erforderlich, dass die Festschreibung des Satzungszwecks und die Art der Verwirklichung in der Satzung so ausgestaltet sind, dass es der deutschen Finanzbehörde möglich ist, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung leicht und einwandfrei zu überprüfen. Dies ist nach der Entscheidung des 5. Senats des BFH nicht der Fall, wenn in der Satzung auf ausländische Regelungen verwiesen wird, die vom nationalen Recht abweichen, und sich auch sonst aus der Satzung selbst nicht ergibt, dass die Anforderungen des nationalen Gemeinnützigkeitsrechts gewahrt werden.

 

Konsequenzen für die Praxis

Praxisrelevant ist die Entscheidung des BFH vom 18.08.2022 insbesondere, weil der BFH klarstellt, dass bereits die Satzung von Stiftungen, die satzungsgemäß neben einem begünstigten Zweck einen nicht begünstigten Zweck verfolgen, gegen das Gebot der Ausschließlichkeit (§ 51 Abs.1 S.1 AO i.V.m. § 56 AO) Vorinstanz: Niedersächsisches Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 04.05.2020 – 6 K 53/18 verstoßen, dass eine Anerkennung der formellen Satzungsmäßigkeit insgesamt ausgeschlossen ist.

 

Die Entscheidung des BFH vom 18.08.2022 lässt leider offen, ob die österreichische Stiftung nach einem Typenvergleich einer Stiftung des nationalen Rechts entspricht, ob die Satzung im Hinblick auf ihre Regelungen zur Vermögensbindung den Anforderungen an die formelle Satzungsmäßigkeit genügt und ob die Mustersatzung wörtlich übernommen werden muss.

 

Im Ergebnis müssen sowohl inländische als auch ausländische Stiftungen das Feststellungsverfahren nach § 60a AO durchlaufen und die satzungsmäßigen Anforderungen erfüllen, um einen Gemeinnützigkeitsstatus erlangen und aufrecht erhalten zu können. Der Satzungsgestaltung kommt damit im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts eine erhebliche Bedeutung zu. Bereits vor Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung des In- oder Auslands ist daher das Feststellungsverfahren nach § 60a AO beim zuständigen Finanzamt zu durchlaufen.

 

Zu Fragen des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts und zum Feststellungsverfahren nach § 60a AO beraten wir Sie gerne.

 

Verweise auf unsere bisherigen Rubriken zur Gemeinnützigkeit: