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Nachfolge im Familienunternehmen – den Generationenwechsel in der Führung erfolgreich gestalten

VON MAXI WEISS

 

Per Definition sind Familienunternehmen auf generationsübergreifende Existenz ausgelegt. Die Vorstellung, das Unternehmen insbesondere innerhalb der Familie fortzuführen, macht diese Organisationsform aus. So selbstverständlich dieser Schritt ein wesentlicher Teil der Unternehmensgeschichte ist, so sehr stellt er inhabergeführte Unternehmen vor eine besondere Herausforderung. Die Nachfolge bedeutet nicht nur den Wechsel an der Spitze und eine rechtlich zu regelnde Transferbewegung in der Eigentümerschaft. Sie betrifft die Unternehmerfamilie und das gesamte Unternehmen. Insbesondere die Anforderungen an die Führungsmannschaft werden in dieser Phase neu definiert. Neben den klassischen Konfliktfeldern in Organisationen ergeben sich aus der besonderen Konstellation im Familienunternehmen noch weitere, die in Phasen der Veränderung wirksam werden können. Mediation und Organisationsberatung sind deshalb wichtige Bausteine einer erfolgreich gestalteten Übergabe.

Unsere Gastautorin Maxi Weiss berät Familienunternehmen in der Nachfolge. Als Mediatorin, Organisationsberaterin und Coach moderiert sie die Übergangsphase zwischen Übergeber und Übernehmer und begleitet die Führungskräfte beim Aufbau neuer Führungsstrukturen.

Näheres zur Führungs- und Nachfolgeberatung unter www.maxiweiss.de


Erwartbare Konflikte bei der Unternehmensnachfolge

Senior

Insbesondere die jetzt (noch) aktive Unternehmergeneration hat vielfach Wachstumssprünge initiiert: mit dem Erschließen neuer Märkte oder Produkte, mit Niederlassungen im Ausland, mit dem Wachstum der Unternehmensgröße. Ebenso wie bei Gründern eignet diesen Inhabern traditionsreicher Unternehmen ein Pioniergeist. Sie haben Strukturen geprägt, die entlang ihrer Persönlichkeit gewachsen und auf sie ausgerichtet sind und bilden damit als Unternehmer selbst das Zentrum vieler Prozesse. Die Verantwortung scheint übergroß, ihr Ein- und Überblick, ihr Detailverständnis sind unersetzlich. Im inneren Konflikt stehen sich der Wunsch nach traditioneller Kontinuität innerhalb der Unternehmerfamilie und die Frage der Eignung des Nachwuchses ebenso gegenüber, wie der Wunsch nach Fortführung des Lebenswerks und die Angst, es könnte in fremder Hand scheitern. Manche lösen diese Ambivalenz durch die Gründung einer Stiftung oder den Unternehmensverkauf.

 

Übernehmer

An das Werk insbesondere eines Gründers oder Pionierunternehmers anzuknüpfen ist nicht einfach. Von der Abstimmung mit den Führungsebenen, der Ausstattung der Führungskräfte mit Entscheidungskompetenzen bis zur Personalauswahl haben sich viele Strukturen über Jahrzehnte auf die Spitze ausgerichtet. Der eigene Führungsstil des Nachfolgers kann hier Irritationen auslösen und Erwartungen enttäuschen. Auch das Orientieren im Unternehmen kann herausfordernd sein: Informationskanäle sind oft eher informell und für Außenstehende nicht unbedingt anschlussfähig. Ebenso fehlen oft organisationale Strukturen wie Organigramme oder Stellenbeschreibungen, weil Aufgaben und ihr Beziehungsgeflecht eher entlang der Personen und Fähigkeiten entstanden sind.

 

Führungskräfte

Architektur und Besetzung der Führungsebenen haben sich wie andere Strukturen an der Persönlichkeit des scheidenden Unternehmers entwickelt. Unternehmerische Verantwortung und wichtige Entscheidungskompetenzen sind tendenziell eher zentralisiert. Insbesondere ein externer Geschäftsführer, bei dem Eigentum und Führung nicht mehr in einer Hand liegen, wird diese unternehmerische Verantwortung dezentralisieren, wie sich am aktuellen Schlagwort des „Unternehmers im Unternehmen“ klar zeigt. Führungskräfte sind damit gefordert, Entscheidungen zu treffen und zu verantworten, sich also in neuer Weise zu exponieren. In Führungsteams sollen sie mit der Unternehmensspitze kooperieren. Das neue Verständnis von Führung wird nicht nur unterschiedlich freudig aufgenommen werden, sondern auch Defizite und vermutlich an mancher Stelle fehlende Eignung sichtbar werden lassen.

 

Mitarbeiter

In Familienunternehmen steht der Unternehmer als persönlicher Garant für Sicherheit und Stabilität. Ihm und der Unternehmerfamilie sind die Mitarbeiter meist loyal verbunden. Solange der jetzige Senior im Haus präsent ist und die Rollen an der Spitze nicht ganz klar verteilt und gelebt sind, drohen Loyalitätskonflikte. 

 

Unternehmerfamilie

Die enge Verquickung privater und geschäftlicher Strukturen, die Koppelung der Unternehmerfamilie an das Unternehmen und die daraus erwachsenden unvereinbaren Erwartungen sorgen insbesondere beim Thema der Nachfolge für Zündstoff. Heute ist nicht mehr klar geregelt, ob jemand und wer aus der Familie nachfolgt. Die Wahl bedeutet eine Bevorzugung eines Kindes oder Benachteiligung aller Kinder, was der familialen Logik der Gleichbehandlung widerspricht. Mit der Nachfolge wird meist auch die Erbregelung entschieden, die eng verwoben ist mit Gerechtigkeit als hohem prägenden Wert in der Familie. Nach individuellem Gerechtigkeitsempfinden werden mitunter alte Rechnungen aufgemacht und Ansprüche erhoben, z.B. an das Mitgestalten im Unternehmen. Nicht selten mischen sich in Umbruchzeiten wie der Nachfolge weitere Familienmitglieder ein, deren Selbstwertgefühl oder Selbstverständnis an das Unternehmen gekoppelt ist.

 

Wege zur Klärung der Unternehmensnachfolge, Ansätze der Moderation

So klar sich diese Felder benennen lassen, so wenig ist damit über den jeweils einzelnen Übergabeprozess gesagt. Immer wieder entlastet aber bereits die Erkenntnis, dass gewisse Konflikte von vornherein angelegt, dass manche Anforderungen paradox und damit uneinlösbar sind. Die ganz eigenen Prägungen, Abhängigkeiten und Entscheidungsprämissen eines Systems, der Familie oder des Unternehmens sichtbar und damit für Reflexion zugänglich zu machen, ist Aufgabe der Organisationsberatung.

 

Abstimmung zwischen alter und neuer Geschäftsführung

Insbesondere für den Übergeber und für familiale Nachfolger ist die Reflexion der eigenen Rollen zentral. Verstanden als Bündel von Erwartungen lassen sich Rollen befragen: Welche Erwartungen werden an mich gerichtet (aus der Familie, von Mitarbeitern, vom Senior/Junior), wo werde ich ihnen gerecht, welche Enttäuschungen sind erwartbar? Welche Erwartungen hegen Übergeber und Übernehmer vom jeweils anderen, mit Blick auf den Gesamtprozess und auf die künftige Zusammenarbeit? 

 

Moderierte Gespräche zwischen Übergeber und Übernehmer eignen sich zum Abgleich und als fester Kommunikationsraum jenseits des operativen Geschäftes. Hier wird der Prozess reflektiert, werden offene Fragen geklärt und die Entwicklungen gemeinsam beleuchtet. Bei Übergaben innerhalb der Familie werden solche Fixtermine auch genutzt, um grundsätzlichere Themen in einem geschützten Rahmen jenseits des betriebsamen, operativen Alltags und der gemeinsamen Familien-Freizeit zu besprechen.

 

Gestaltung der Führungsstrukturen

Was bedeutet der Wechsel für die Führungsmannschaft, welche Erwartungen werden künftig an Führung gestellt? Wie sollen die Zusammenarbeit in den einzelnen Führungsteams und die Abstimmung zwischen den Ebenen aussehen? Was soll so bleiben, was funktioniert dann nicht mehr? In moderierten Workshops für die jeweiligen Führungsebenen werden diese Fragen offen diskutiert. Wichtig ist dabei, was auch für andere Veränderungen gilt, z.B. beim Einführen agiler Strukturen: Jede Veränderung bewirkt Gewinn und Verlust, es gibt keine für alle rein profitable Entscheidung. Werden die kritischen Stimmen und Argumente gesehen und ohne idealisierende Beschönigung ernst genommen, entsteht weniger Anlass für Widerstand.

 

Erwartbar ist, dass im Zuge der Nachfolge Verantwortung an die Führungsebenen delegiert wird. Was bedeutet „Unternehmertum im Unternehmen“? Wie unterscheidet sich die neue von der gewohnten Führungsrolle, welche Anforderungen stellt diese an die Führungskraft? Fragen dieser Art stehen im Zentrum von Führungs-Coachings. Im Lauf des Prozesses wird sich zeigen, ob alle für die neuen Aufgaben und die entsprechende Verantwortung geeignet und bereit sind.

 

Klärung in der Unternehmerfamilie

Welche Rolle spielen Familienmitglieder für das Unternehmen/den Übergeber, welche Erwartungen verbinden sie mit der Übergabe? Welche unbearbeiteten Konflikte treten zutage? Die Kommunikation in Familie und Unternehmen folgt jeweils anderen Prinzipien. Diese Ebenen bewusst zu machen, zu trennen und Austausch darüber zu ermöglichen, findet in Einzelgesprächen oder in moderierten Gesprächen statt. Bei eskalierten Konflikten kann eine Mediation helfen, Positionen zu klären, Muster zu erkennen und zu einer Gesprächsebene zurückzufinden.

 

Auch beim Einsetzen einer externen Geschäftsführung ist die Abstimmung mit der Familie unumgänglich. Nicht nur als Gesellschafter haben Familienmitglieder die Macht, angestrebte Lösungen zu blockieren.

 

Zeitfenster für Erneuerung bei der Unternehmensnachfolge

Ob ein jüngeres Familienmitglied nachrückt, ein intern aufgebauter oder extern gefundener Geschäftsführer installiert wird oder eine Übernahme erfolgt – der Wechsel betrifft immer das ganze Unternehmen, insbesondere aber die Führungsmannschaft. Diese Phase der Irritation eröffnet auch die Chance den Generationswechsel zur Erneuerung im Unternehmen zu nutzen. Dabei die Führungsmannschaft mitzunehmen, durch klare Kommunikation einen sicheren Rahmen zu bieten und den offenen Umgang mit Konflikten vorzuleben sind herausfordernde Aufgaben für Übergeber und Übernehmer. Moderation und Organisationsberatung unterstützen sie dabei.


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