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Unternehmer-Familie: Zwei unterschiedliche Systeme, die auch in der Unternehmensnachfolge zu paradoxen Situationen führen

VON LIOBA HEINZLER

 

Menschen aus Unternehmerfamilien kennen das Gefühl, dass sie manchmal ratlos und verzweifelt sind, weil es ihnen einfach zu verrückt, anstrengend und kompliziert ist. Sie schwanken zwischen einfach davonlaufen oder kräftig auf den Tisch hauen. Und oft liegt der Schluss nahe, es nur an DIESER Familie liegt, dass es „bekloppt“ ist oder etwas mit den Beteiligten nicht stimmt. 

 

Sollten Sie das kennen, dann kann ich Sie beruhigen: Nein, es liegt weder an Ihnen noch an Ihrer Familie. Der Grund ist, dass Familie und Firma einfach nicht zusammenpassen. Es sind zwei unterschiedliche Systeme, mit je unterschiedlicher Zielsetzung und Auftrag, und somit einer grundlegend anderen Logik.

 

Aus meiner Arbeit mit Unternehmerfamilien weiß ich, dass diese Familien Meister darin sind, im Alltag mit paradoxen Situationen umzugehen und immer wieder Wege aus dem Dilemma finden.

Copyright Foto Anette Hammer

Unsere Gastautorin Lioba Heinzler ist seit über 20 Jahren erfolgreiche Unternehmermentorin für Nachfolge, Führung und Businessumbau. Sie unterstützt Unternehmer*innen, Selbstständige und ganze Unternehmerfamilien, tragfähige Entscheidungen zu treffen, und die nötigen Veränderungen fokussiert und aktiv zu gestalten. Als ausgebildete Supervisorin und Business Coach DGSv schafft Frau Heinzler Klarheit, eröffnet Perspektiven und gibt Impulse.


Ein Blick in die Geschichte

Noch vor 200 Jahren war die Verbindung von Arbeit und Familie der Regelfall. Ob Landwirt, Handwerker oder Händler: Arbeit war Familiensache. Leben und Arbeit gingen Hand in Hand, häufig im selben Gebäude. Unsere heutige Trennung gab es weder in den Köpfen der Menschen, noch räumlich. Mit der Industrialisierung und einer arbeitsteiligen Gesellschaft hat sich dies in den letzten 150 Jahren grundlegend geändert. Dennoch: Heute werden 91 Prozent der Betriebe und Unternehmen in Deutschland mit bis zu 300 Mitarbeitern immer noch als Familienunternehmen geführt. Was ist das Besondere in Unternehmerfamilien? Was macht die besondere Lebensform aus?

 

Was ist anders in Unternehmerfamilien?

Während in Familien ohne Firma das Eigentum spätestens im Erbfall ein Stolperstein sein kann, kommt in Unternehmerfamilien ein dritter Faktor hinzu: Die Familie, das Unternehmen und das Eigentum bilden in diesen Familien eine Einheit, und erhöhen damit um ein Vielfaches die Möglichkeiten der Verwicklung. Hinzu kommt, dass Familie und Unternehmen zwei Sozialsysteme mit sehr unterschiedlichen „Logiken“ sind. Dies wird als eine außergewöhnliche Verbindung von personenzentrierten und aufgabenorientierten Sozialsystemen bei einem Familienunternehmen definiert. Diese Konstellation bietet immer wieder vielfältigen Anlass für paradoxe Situationen. Diese verwirren die Beteiligten. Oft macht sich das Gefühl breit, in diesem Geflecht gefangen zu sein, was zu Verletzungen und Konflikten führt. 

 

Besonders sichtbar wird das für mich bei Teamgesprächen in der Firma, wo für mich als Außenstehende nicht klar ist, wer aus welcher Rolle agiert. Sitzen hier Sohn, Tochter, Mutter und Vater als Familie zusammen, oder Bereichsleitung Marketing, Teamleitung Verkauf und Geschäftsführung zur Quartalsplanung? Die Trennung von Arbeit und Privatem ist nicht einfach, die Grenze verläuft fließend. In vielen Gesprächen in den privaten Räumen kreisen die Themen auch rund um die Firma, die Aufgaben, die zu leisten sind. Dabei ist eine Abgrenzung für uns Menschen wichtig. Das Leben braucht Spannung und Entspannung. Und auch die Auszeit vom Unternehmen.

 

Leben zwischen zwei Polen und Widersprüchen

In meiner Arbeit mit Unternehmer*innen und ihren Familien wird das besondere Spannungsfeld deutlich. Dieses bündelt sich wie in einem Brennglas. Die Widersprüche des Lebens werden verschärft: Nähe und Distanz, Gemeinschaft und Individuum, Bindung und Entscheidung, Pflicht und Erfüllung, sorgende Anteilnahme und übergriffige Zumutung, persönlich und privat, Außendarstellung und Innensicht. 

 

Dass ein Unternehmen anders als eine Familie tickt, ist eine Binsenweisheit. Das Wissen darum macht den Alltag der „Lebensform Unternehmerfamilie“ keinesfalls einfacher. Im Gegenteil: Es ist schon kompliziert, wenn Familie und Unternehmen an einem Tisch sitzen. Es sind unterschiedliche Logiken der Systeme, die oft paradox sind. So ist in der Familie jede einzelne Person wichtig und nicht austauschbar. In der Firma stehen Funktion und Kompetenz an erster Stelle. Die Person ist prinzipiell austauschbar. Auch viele weitere Themen, wie Gerechtigkeit und Kommunikation, funktionieren in einem Unternehmen anders als in einer Familie. Mit diesen Widersprüchen muss tagtäglich umgegangen werden. 

 

Mit Paradoxien leben und flexibel jonglieren lernen

Wichtig ist, dass in der Unternehmerfamilie mit den scheinbar widersprechenden Anforderungen flexibel jongliert werden kann. Dafür ist notwendig, dass es Zeiten und Möglichkeiten gibt, sich die eigenen Verwicklungen, wie auch die mit den Familienmitgliedern, genauer anzusehen und bewusst zu machen. Es ist wichtig, dass die Einzelnen ein Bewusstsein entwickeln, wann sie welchen Hut aufhaben. Wenn die Beteiligten die eigenen Mechanismen und die der andern verstehen, wird es einfacher mit den Hüten zu jonglieren. Wenn dies dann mit wertschätzendem Humor gelingt, umso besser. Humor beugt der Verbissenheit und der Rechthaberei vor. Das hilft, dass die Verwicklungen mit ihren kleinen und größeren Verletzungen aufgelöst werden können. Allerdings ist damit nicht der Witz auf Kosten der anderen gemeint. 

 

Der Generationswechsel im Familienunternehmen – Die Gleichung mit zahlreichen Unbekannten

Familienunternehmen haben viele Vorteile und sind eine wichtige Stütze unserer Wirtschaft. Aber es ist von entscheidender Bedeutung, dass die „Nachteile“ nicht zu Lasten der Unternehmerfamilie und der Familienmitglieder gehen. Denn neben dem Familienfrieden gefährdet dies auch den Generationswechsel. Die Unternehmensnachfolge ist anspruchsvoller und komplexer geworden, vor allem in Unternehmerfamilien. Nachfolge geht nicht mehr so einfach und selbstverständlich wie vor zwei oder drei Jahrzehnten noch. Ein Grund dafür: Fachkräftemangel heißt auch Nachfolgemangel. Der demographische Wandel bedeutet, dass die nachwachsende Generation zahlenmäßig kleiner ist als die Generation der Babyboomer, die nun in Ruhestand geht. Dazu kommt, dass die Wahlmöglichkeiten der beruflichen Tätigkeit größer geworden sind. Die „natürliche Nachfolge“ innerhalb der Familie ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch ist die Zeit der klassischen Patriarchen vorbei. Einer entscheidet, was dann unwidersprochen umzusetzen ist – das war gestern. Dadurch, dass der Umgang in den letzten 50 Jahren in den Familien partnerschaftlicher geworden ist, haben individuelle Vorstellungen mehr Gewicht.

 

Familiengefüge kontra Unternehmensdenken 

Ja, die individuellen Vorstellungen der Einzelnen sind selten konfliktfrei und deckungsgleich mit den Notwendigkeiten einer Firma. Generell bergen Generationsunterschiede Konfliktpotenzial. Allerdings werden diese heute verschärft durch die Schnelligkeit der Internationalisierung, Globalisierung, Digitalisierung: Da sprechen zwei Generationen oft zwei Sprachen. Für die eine ist die Arbeitswelt verrückt geworden, die andere kennt sie nicht anders. Lenken wir unseren Blick besonders auf die sogenannte „Generation Y“ (die Jahrgänge 1980 bis 1995) die nun in die Nachfolge hineinwachsen. Diese hat eine andere Grundhaltung im Leben. Für die „Millennials“ gehören Beruf und Familie zusammen: Junge Väter wollen Zeit für ihre Kinder haben, junge Mütter wollen im Beruf bleiben. Die individuellen Entwicklungschancen auf dem „Markt der Möglichkeiten“ haben einen höheren Wert als in der Generation davor. Dabei ist eine Unternehmensnachfolge in einem Familienunternehmen aber kein Job für ein paar Jahre, sondern ein Lebensmodell.

 

Die Nachfolge ist anstrengend – für alle

Eine besondere Herausforderung bei der Nachfolge in Familienunternehmen ist oft das Zusammenspiel zwischen Senior und Junior: „Du lässt nicht los!“ – „Du bist nicht kompetent“. Eingefahrene Verhaltensmuster in Dauerschleife sind wenig konstruktiv und zerstören ein harmonisches Miteinander. Um diese Verhaltensmuster zu durchbrechen, ist es ratsam einen Externen mit Kommunikationsexpertise hinzu zu ziehen. Ich weiß, dass es möglich ist, mit diesen Ecksteinen und Stolpersteinen eine konstruktive Lösung für die Zukunft des Unternehmens und der Familie zu bauen. Dazu gehört auch, zu akzeptieren, dass es keine einfachen Lösungen über Nacht gibt.

 

Die Zerreißprobe der Nachfolger*in

Doch mit der Unterschrift ist die Unternehmensnachfolge noch nicht erfolgreich abgeschlossen. Für den neuen Geschäftsführer, die neue Geschäftsführerin, geht es nun darum, so schnell wie möglich Kapitän auf dem Unternehmensschiff zu sein. Dabei muss er oder sie die Balance schaffen zwischen der Anerkennung der Leistung des Vorgängers und eventuell dem Respekt vor der Tradition. Und auf der anderen Seite so schnell wie möglich eigene Maßstäbe setzen. Dafür hat die Nachfolgerin, der Nachfolger, nicht mehr soviel Zeit wie die Generation(en) davor, weil sich viele Märkte rasant verändern. Weitreichende Entscheidungen zu treffen, die Vater und Mutter so nicht gefällt hätten, und trotzdem den Geburtstag in der Familie am Sonntag unbeschwert zu feiern, das ist eine besondere Leistung von allen Beteiligten. 

 

In dieser Situation ist ein externer Sparringspartner zum Vordenken und Nachdenken entlastend und unterstützend. Viele Nachfolger und Nachfolgerinnen sind fachlich sehr gut ausgebildet. Jedoch ist Unternehmensführung nochmals eine andere Baustelle. Hierbei tun sich viele der jungen Geschäftsführer*innen schwer mit den zentralen Aufgaben des Unternehmenslenkers: Überblick und Steuerung. Doch es lässt sich lernen, sich nicht in den geliebten fachlichen Details zu verstricken. Je früher umso einfacher. 

 

Der blinde Fleck muss kein Geheimnis bleiben

Der tote Winkel beim Autofahren ist für viele tödliche Unfälle verantwortlich. Und der eigene „Blinde Fleck“ hat Auswirkungen, die wir oft so nicht wollten. Manchmal sehr existenzielle. 

Es ist so: Ich kann nicht sehen, was ich nicht sehen kann. Dafür brauche ich einen Blick von außen, ein professionelles Feedback. Wer dieses Feedback meidet, kocht ständig im eigenen Saft. Das gilt für die Einzelpersonen, wie auch fürs Familien- und Unternehmenssystem. 

Die Auseinandersetzung und Reflexion mit Jemandem, der außerhalb steht und keine Karten im Spiel hat, entlastet. Es werden leichter Lösungen gefunden, die der Familie und dem Unternehmen gerecht werden. Auch wenn diese Lösungen anders aussehen als anfangs gedacht. 

 

Mein Lösungsansatz in der Zusammenarbeit

In Unternehmerfamilien ist das Ziel die kooperative Zusammenarbeit für eine entspannte Zukunft der Firma und der Familie:

  • Klarheit über die unterschiedlichen Einschätzungen innerhalb der Kernfamilie, über die persönliche Situation des Einzelnen und der der Firma.
  • Dies bildet eine solide Grundlage und Sicherheit für den Senior-Geschäftsführer, um tragfähige Entscheidungen für das Familienunternehmen zu treffen.
  • Formen der kooperativen Leitung in der Übergangszeit entwickeln; Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klären. 
  • Zeitschiene und Ablauf des Generationswechsels planen. 

Wenn die Überlegungen feststecken und sich keine tragfähige Idee abzeichnet, dann mache ich als Moderatorin die Betroffenen zu Beteiligten, um gemeinsam eine Lösung zu finden - in der Familie und in der Firma. Das heißt, durch unterschiedliche Settings, wie Einzelgespräche, Gruppengespräche und Workshops mit allen Beteiligten,finden meine Kunden ihren nachhaltigen Weg zur Nachfolge. 

 

Meine drei Anknüpfungspunkte im zeitlichen Ablauf der Unternehmensnachfolge

1.    Für diese Fragen des Abgebers oder der Abgeberin erarbeiten wir Lösungen:

  • Wann und wie will ich abgeben und wie gestalte ich den Prozess sinnvoll?
  • Hinter der Frage „Wie finde ich einen geeigneten Nachfolger?“ stehen weitere wie: Was macht ein verkaufsfähiges Business aus? Was macht ein Unternehmen attraktiv jenseits der Zahlen? Was kann ich als Firmenlenker jetzt dafür tun?

2.    Wenn es mehrere potenzielle Nachfolger in der Familie, im Unternehmen gibt:

  • Wir klären nachhaltig, wer oder was die beste Lösung ist. Dabei habe ich ein besonderes Augenmerk darauf, dass die unterschiedlichen Kompetenzen und Stärken bestmöglich eingebunden werden, und es so wenig wie möglich Verletzungen bei den Beteiligten gibt. 

3.    Für diese Anliegen des Übernehmers, der Übernehmerin erarbeiten wir Lösungen: 

  • Will ich die Nachfolge wirklich antreten? 
  • Der Übergabeprozess zieht sich hin und die unklare Situation kostet (zu) viel Energie. 
  • Die Nachfolger*innen erörtern mit mir als neutrale, externe Sparringspartnerin diese vielen Fragen und lernen so, mit den unterschiedlichen Spannungen umzugehen, die eine neue Rolle im Unternehmen mit sich bringt. Es geht darum, dass Nachfolger*innen souverän und schnell Entscheidungen fällen, somit die Dynamik der Veränderung gestaltet und ihre/seine Unternehmerkompetenz und Unternehmersouveränität gestärkt wird.

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