Bedingungen für Veränderungen in Unternehmen

VON GUDRUN TÖPFER

 

Nachdem wir im ersten Teil (erschienen am 06.12.2018 - lesen Sie bitte hier) unserer kleinen Serie einige Herausforderungen und Veränderungen benannt haben, die auf Unternehmen in der unmittelbaren Zukunft zukommen werden, befassen wir uns einmal mit der Frage, was denn in einem Unternehmen geschieht, das betroffen ist. Wir stellen uns also vor, ein Unternehmen hat erkannt, dass es in einem (oder mehreren) Bereichen einen Handlungsbedarf gibt, da ansonsten direkt oder indirekt, kurz- und langfristig das Unternehmen bedroht ist – sei es in Bezug auf den Verlust wertvoller Mitarbeiter, in Bezug auf das Schritthalten mit technologischen Veränderungen oder in der Anpassung auf Gegebenheiten am Markt oder im Konsumentenverhalten.


Zunächst einmal stellt sich das Problem, dass der Bedarf meist nicht von allen Personen im Unternehmen gleichzeitig gesehen, erkannt und akzeptiert wird. Vielmehr sind es Schlüsselstellen, die z. B. Einsicht in die Entwicklung der wirtschaftlichen Zahlen haben und an denen sich ein unerwünschter Trend abzeichnet. Oder es sind direkt jene Personen die am Scheideweg stehen, eine Entscheidung zu treffen, die für das Unternehmen gut oder auch schlecht sein kann – wie z. B. eine Erweiterung der Produktion, der Lagerkapazitäten oder die Integration einer neuen Technologie sein.

Der nächste Schritt ist deshalb gleich entscheidend und wird oft recht kurz gehalten: Es ist nötig, sich ein gemeinsames Verständnis über das Problem zu verschaffen – und mit gemeinsam ist gemeint, dass mehrere Menschen mit einbezogen werden, nicht nur der einsame Entscheider. Dieser Prozess ist anstrengend, zeitaufwändig, unsicher und insgesamt recht unattraktiv zu beschreiten. Schließlich beginnt er damit, dass ein Entscheider sich öffnet und ein mehr oder minder unstrukturiertes Problem in den Ring wirft – bestenfalls noch mit der Zusatzinformation, dass es da offensichtlich Handlungsbedarf irgendeiner Art für das Unternehmen gebe, aber er nun auch nicht genau wisse, wie man rangehen solle. Das erfordert Mut, Selbstbewusstsein und Demut und ist auch der Grund, warum viele so gestrickte Themen nicht angegangen, diskutiert, Lösungen erarbeitet, durchgestritten, verbessert oder notfalls auch verworfen werden. Der Zustand, das Problem zu sehen, aber keine Lösung zu finden, ist kein angenehmer und man kann es jedem nachsehen, der diesen Zustand möglichst zügig beenden möchte.

Gehen wir davon aus, dass es in einem iterativen Prozess gelungen ist, ein gemeinsames Verständnis über das Problem und die Bedeutung für das einzelne Unternehmen zu entwickeln. Damit sind schon mehr Menschen „an Bord“ als der einsame Entscheider – eine gute Basis für eine gute Lösung ist geschaffen. Der Weg ist zumindest bereitet für die Veränderung, von der man sich eine Verbesserung erwartet: Eine zukunftsfähige Aufstellung, bessere Zahlen, ein angenehmeres Miteinander, eine erhöhte Arbeitgeberattraktivität oder eine Mischung aus mehreren dieser Punkte.

Beim Umsetzen von Veränderungen wartet gleich die nächste Hürde, die zahlreichen Seminaren, Büchern oder Podcasts über „Change Management“ immensen Zulauf beschwert hat: Menschen verändern sich nicht gerne. Sie mögen, was sie tun, denn sie tun es ja mit gutem Grund, haben sich in Gewohnheiten und Handlungen eingerichtet, bis es „passte“. Warum soll nun eine Veränderung mit offenen Armen empfangen werden?

An dieser Stelle erfolgt oft die Orientierung an ZDF: Zahlen, Daten, Fakten, die auf objektive Art und Weise darlegen sollen, inwiefern die Veränderung gut, nötig und richtig ist. Dabei wird übersehen, dass die sachliche Ebene eines Problems und das gefühlsmäßige Halten an Gewohnheiten nicht auf der gleichen Ebene stattfinden und man mit einer vernünftigen und objektiven Argumentationslinie nicht unbedingt die Herzen der Beteiligten gewinnen kann. Sachinformation ist ein Baustein, aber eben nur einer, der an der Veränderungsbereitschaft von Menschen nur bedingt rühren kann.

Grundsätzlich ist es schwer, eine Veränderung per „Befehl von oben“ durchzusetzen, was es in der logischen Folge nötig macht, den beschwerlichen Prozess vom Anfang weiter fortzusetzen: Reden, sich mitteilen, diskutieren, verwerfen, Rahmenbedingungen und Kompromisse aushandeln, alles stets über den Weg des Dialogs. Es ist das Verfahren, das in der üblichen Ratgeberliteratur mit „die Menschen mitnehmen“ beschrieben ist. Dass hinter der Kommunikation die Geisteshaltung eines echten Interesses an Beteiligung stehen sollte, ist ein wenig populärer und zu selten genannter Umstand. Der Prozess des ständigen Aushandelns erfordert wiederum Mut, seine eigene Sicht der Dinge zur Debatte zu stellen. Nur so entsteht eine ehrliche Auseinandersetzung, in der auch ehrlich über die Bedenken und Rückhalte gesprochen werden kann.

Neben der Veränderungsbereitschaft des Menschen an sich gibt es viele Faktoren in Veränderungen, die sich einer direkten Kontrolle entziehen, die aber nötig für eine gelingende Veränderung sind: Engagement, Unternehmenskultur, Motivation sowie die Fähigkeit, konstruktiv mit sich und der Umwelt umzugehen. Ich möchte dazu ein schlichtes Beispiel geben, das mit in der Praxis immer wieder in verschiedenen Varianten begegnet ist: Nehmen wir einen veränderten Produktionsablauf an, weil eine neue Technologie zum Einsatz kommen soll. Im Rahmen dessen gibt es eine mehr oder minder professionell durchgeführte Einweisung oder Schulung. Je nach vorgefundener Unternehmenskultur wird die Maßnahme verschiedene Effekte zeitigen. Nachfolgend ein paar O-Töne, die ich alle so oder so ähnlich schon gehört habe:

  • Ach, haben die da oben wohl Angst, dass wir ihre neue tolle Maschine kaputt machen?
  • Pfff… ich arbeite schon 35 Jahre in dem Bereich – also ob mir da jemand was Neues erzählen könnte…
  • Ja klasse – muss ich vier Stunden nicht arbeiten, prima!
  • Die denken wohl, ich bin blöd, dass mir dazu jemand eine Einweisung geben muss.
  • Hoffentlich gibt’s keinen Test hinterher… Wenn ich den nicht bestehe, steh ich schön blöd da.

Man kann das beliebig fortsetzen, im Kern wird jedoch deutlich: Wie eine Organisation auf eine Veränderung zugeht, ist im Großen und Ganzen in ihrer Geschichte schon festgelegt. Ein weiterer Faktor, der auf der Ebene der Organisation gelagert ist, ist die Häufigkeit, mit der schon Veränderungen angegangen und bei Schwierigkeiten wieder beiseitegelegt wurden. Ist das schon mehrfach geschehen, hat die Organisation als System kein Vertrauen mehr darin, dass diese anstrengende Prozess begonnen, durchschritten und erfolgreich zu Ende geführt werden kann. Die Führungsriege bekommt dann Etikett der „Ankündigungsminister“ verpasst und jede Neuerung wird genüsslich ausgesessen. Je nachdem, wie verfestigt diese Meinung (und der oft dahinterliegende Frust) ist, kann auch eine neue Führung mit frischen Ideen und besten Absichten an den Schatten der Vergangenheit scheitern.

Damit das nicht passiert, sei an Tugenden erinnert, die etwas angestaubt daherkommen, aber so aktuell sind wie nie: Mut, sich selbst in Frage stellen, ehrliches Interesse, sein Wort halten und letzten Endes: Dialog, Dialog, Dialog.


Unsere Gastautorin Gudrun L. Töpfer ist 1982 im tiefen Bayern geboren. Nach dem Abitur hat sie in Freiburg i. Breisgau Bildungswissenschaften studiert und anschließend einen Master in Psychologie absolviert.

Nach zwei Jahren Schnuppern in einem Start-Up-Unternehmen hat sie selbst den Schritt gewagt und das Wechselwerk gegründet – eine Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie. Mit ihrem Hintergrund kann sie besonders da helfen, wo es um die schwerer greifbaren Bereich geht, die den „Faktor Mensch“ betreffen: Veränderungsprozesse, exzellente Führung, Motivation und Unternehmenskultur sowie Qualifizierungsprozesse – alles große Herausforderungen für die Unternehmen in unserer dynamischen Zeit.