Advanced Care Planning für Unternehmer mit Familienstiftungen

VON THORSTEN KLINKNER UND PROF. DR. DR. GIERHAKE

 

Was ist Advanced Care Planning?

 

In den letzten Jahren wurden im medizinisch-psychologischen Bereich mit „Advance Care Planning (ACP)“ leistungsfähige Methoden und Instrumente geschaffen, die von ernsten Krankheiten betroffenen oder alten Menschen eine möglichst hohe Lebensqualität bis zum Lebensende ermöglichen sollen. Der Unterschied zu vergleichsweise einfachen und „formularmässigen“ Patientenverfügungen besteht darin, dass später zu fällende Entscheidungen zusammen mit dem vertrauten familiären und sozialen Umfeld des Betroffenen möglichst konkret vorbereitet und die Entscheidungsgrundlagen genau dokumentiert werden.



Bei ACP werden möglichst konkrete Planungsschritte für die absehbar nächsten Schritte des Krankheitsverlaufes und den Ernstfall des Eintritts der Handlungsunfähigkeit des Betroffenen entwickelt. Das Anwendungsspektrum der ACP-Methodik reicht dabei von recht einfachen Planungen und Erstgesprächen, die bereits (noch) gesunde Erwachsene mit Vertrauten führen sollten („First Steps“), über spezifische Folgegespräche bereits erkrankter Personen mit ausgeklügelten prognosegestützten Entscheidungen („Next Steps“) bis hin zu eher palliativen Dispositionen von Betroffenen am Lebensende („Last Steps“).

 

In allen Phasen und Fällen sind Gespräche mit geeigneten Vertrauenspersonen zu führen, deren Aufgabe im Ernstfall darin besteht, Entscheidungen für die Betroffenen, die dann selbst nicht mehr handlungsfähig ist, zu treffen. Diese Gespräche sollten stets unter Einbindung von Spezialisten wie z.B. Ärzten und Pflegepersonal geführt werden, die dem Betroffenen und dessen künftigem Stellvertreter fachlich beratend zur Seite stehen. Geeignete rechtliche Instrumente wie z.B. Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen sind in allen Phasen so vorzubereiten, dass sie im Ernstfall der individuellen Handlungsunfähigkeit, der prinzipiell jederzeit eintreten kann, stets für diejenigen Personen verfügbar sind, die dann Verantwortung zu übernehmen haben.


Besonderheiten von ACP bei Unternehmern

 

Bei Unternehmern sind – im Vergleich zu Advance Care Planning Szenarien für andere Berufstätige – typischerweise zusätzlich die Versorgung von Familienangehörigen sowie die Unternehmensnachfolge zu organisieren.
Häufig ist der Betrieb auf diejenigen Unternehmerpersönlichkeiten, die den Betrieb aufgebaut haben und operativ im Tagesgeschäft führen, „zugeschnitten“. Das bedeutet, dass die wichtigsten strategischen und operativen Entscheidungen ausschließlich und höchstpersönlich von diesen Personen getroffen werden. Der Wert und der Bestand des Unternehmens sind damit in einem deutlich höheren Umfang an eine einzelne natürliche Person gebunden, als dies bei Großunternehmen mit differenzierten Gesellschafter- und Geschäftsführungsstrukturen der Fall ist.
Die Verantwortung des Unternehmers betrifft allerdings nicht "nur" sein eigenes Schicksal und das seiner Familie. Im Fall der Diagnose einer ernsten Krankheit zeigen sich Einschränkungen naturgemäß zunächst darin, dass die Konzentration des Unternehmers von unternehmerischen Aufgaben abgelenkt wird. In späteren Stadien kann eine Handlungsunfähigkeit des Unternehmers entstehen mit der Folge, dass die Existenz des Unternehmens und das berufliche Schicksal der Mitarbeiter und derer Familien gefährdet sind. Ganz wenig Reaktionszeit verbleibt bei - stets möglichen - Unfallszenarien oder Krankheiten mit plötzlichem Verlauf (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall).
Auf diese Fälle vorbereitete Krisenmanager und Unternehmernachfolger stehen häufig nicht zur Verfügung. Ist die Organisation einer Unternehmensnachfolge schon unter Idealbedingungen eines voll handlungsfähigen Unternehmers ein anspruchsvolles Projekt, das sich über mehrere Jahre neben dem „normalen Tagesgeschäft“ hinziehen kann, so ist dies unter Rahmenbedingungen, in welchen der Unternehmer bereits mit gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen hat, nahezu undurchführbar.


Vorteile von Familienstiftungen beim Advanced Care Planning


Hier kann eine frühzeitig gegründete und mit Bedacht ausgestaltete Familienstiftung eine Lösung darstellen. Folgende Überlegungen bieten hierzu Anknüpfungspunkte:

  •  Familienstiftungen ermöglichen die Konzentration von Eigentums- und Verantwortungsverhältnissen auf die Ebene einer anteilseignerlosen juristischen Person, die als solche selbst nicht krank werden oder sterben kann.
  • Stiftungen können ganz nach Wunsch des heutigen Unternehmers privatnützige und/oder altruistische Zwecke verfolgen, also etwa die Familienmitglieder des Unternehmers versorgen oder gemeinnützigen Zielen nachgehen.
  • Familienstiftungen können mit einer redundanten Führungs- und Kontrollstruktur unter Einbindung von Familienmitgliedern und Fachleuten („Foundation Governance“) so aufgebaut werden, dass sie effizient und weitgehend unabhängig von persönlichen Schicksalen (Krankheit oder Tod) einzelner oder mehrerer natürlicher Personen "funktionieren".
  • Mit Hilfe von Familienstiftungen können die Familienmitglieder des Unternehmers auch über dessen Lebensspanne hinaus vom geschaffenen Lebenswerk wirtschaftlich partizipieren, auch ohne dass das Unternehmen verkauft oder zerschlagen werden müsste.
  • Familienstiftungen können auf die Besonderheiten der Familiensituation des Unternehmers (Ehepartner, Lebensgefährten, ehemalige Partner, Kinder, Verwandte, etwa weitere nahestehende Personen) ausgerichtet und an die Besonderheiten des im Ernstfall auch operativ zu übernehmenden Unternehmens angepasst werden.
  • Familienmitglieder können, müssen aber nicht, notwendigerweise Einsitz in die Stiftungsorgane nehmen.
  • Familienstiftungen können aufgrund der frühzeitig möglichen Einbindung von Fach- und Managementspezialisten arbeitsteilig die Verantwortung für das Familienvermögen, das Unternehmen und dessen Mitarbeiter übernehmen, während hinterbliebene Familienangehörige sich häufig hierdurch überfordert fühlen.
  • Die Überführung von Unternehmensanteilen auf Familienstiftungen ist bei geeigneter Ausgestaltung zumeist ohne einkommensteuerliche Belastungen möglich; bei der Überführung von Unternehmensanteilen auf Familienstiftungen können erbschaft- bzw. schenkungssteuerrechtlich vorgesehene Bewertungsabschläge uneingeschränkt genutzt werden.
  • Bei der Nutzung von Familienstiftungen entfällt die aufwendige und im Ernstfall zeitkritische Suche nach einem Unternehmensnachfolger, einem Unternehmenskäufer und einer Unternehmenskaufpreis-Finanzierung.
  • Bei frühzeitiger Einrichtung einer Stiftungsstruktur kann der Unternehmer lebzeitig die Unternehmensnachfolge mit begleiten und damit dessen Erfolg sicherstellen, auch ohne dass das Unternehmen an fremde Dritte verkauft werden müsste.

Zusammenfassung


Eine geeignet ausgestaltete Familienstiftung kann und sollte im Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes frühzeitig auf die Übernahme verantwortungsvoller Aufgaben als Vorsorgebevollmächtigte, als Testamentvollstreckerin und/oder als Unternehmens- und Vermögensnachfolgerin vorbereitet werden, um Schäden von der Familie des Unternehmers oder dessen Mitarbeitern abzuwenden. Im Idealfall sollte über mehrere Jahre hinweg eine Vertrauensbeziehung zwischen dem Unternehmer als Stifter und dem interdisziplinär und kompetent aufgestellten Stiftungsmanagement "seiner" Stiftung entwickelt werden.


In diesem Fall kann die Stiftung im Ernstfall oder im Alter den Stifter, seine Familienangehörigen und alle, die ihm wichtig sind, zuverlässig entlasten und versorgen. Die Regeln, nach denen dies geschehen soll, legt der Unternehmer - wie beim Advanced Care Planning - bereits frühzeitig in der Stiftungssatzung und verschiedenen Reglementen selbst fest. Das Stiftungsmanagement ist strikt an diese Regeln gebunden und wird bei der Ausführung seiner Aufgaben - ebenfalls nach den vom Stifter vorgegebenen Regeln - regelmässig überwacht, z.B. durch Familienangehörige oder enge Vertrauenspersonen des Stifters.


Das Leistungsspektrum von Familienstiftungen im Rahmen eines Advanced Care Planning bindet damit nicht nur das vertraute familiäre und soziale Umfeld ein. Es kann vielmehr auch die wirtschaftliche und unternehmerische Gestaltungsebene der Unternehmerpersönlichkeit auf effiziente Weise mit abdecken. Es geht damit deutlich über das hinaus, was üblicherweise einzelne natürliche Personen im Ernstfall zu leisten imstande sind.


Literaturempfehlungen


Gierhake, O., Rechtliche Fragen der Vermögensnachfolge für deutsche Unternehmer mit deutschen, österreichischen und liechtensteinischen Stiftungen, Zürich 2013.
Gierhake, O., Liechtensteinische Treuhand- und Fondsmanagement-Dienstleistungen für Unternehmer und vermögende Privatpersonen aus Deutschland, Zürich 2016.
Coors, M., Jox, R. J., In der Schmitten, J. (Hrsg.), Advance Care Planning – Von der Patientenverfügung zur gesundheitlichen Vorausplanung, Stuttgart 2015.
Beckervondersandfort, A., Sicherung der Handlungsfähigkeit bei Geschäftsunfähigkeit, in Beckervondersandfort, A. (Hsrg.) , Gestaltungen zum Erhalt des Familienvermögens, Bonn 2016, S. 105-134.