Stiftung schafft Kontinuität und Stabilität

VON THORSTEN KLINKNER

Die Firma Enercon mit Sitz im niedersächsischen Aurich zählt zu den Pionieren und weltweit führenden Unternehmen in der Erzeugung von Windenergie. Gründer Dr. h.c. Aloys Wobben hat alle Anteile 2012 in eine Familienstiftung überführt. Auf diese Weise konnte er sich zurückziehen, aber gleichzeitig die Zukunft sichern – strategisch und gesellschaftsrechtlich.


Die Energiewende ist in aller Munde, gerade die westlichen Industrienationen wollen sich von fossilen (und damit endlichen) Energieträgern unabhängig machen. Und so ist in den vergangenen Jahren das Thema Windkraft immer stärker in den Fokus gerückt, und Windräder prägen mittlerweile vielerorts die Landschaft. Ein paar Zahlen dazu. Ende 2015 waren weltweit Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 432,4 Gigawatt (GW) installiert, davon 175 GW in Asien, 147 GW in Europa und 101 GW in Amerika. Diese sind in der Lage rund 3,7 Prozent des weltweiten Strombedarfs zu decken. 2014 lieferten die weltweit installierten Anlagen nach Zahlen von BP rund 706 Terrawattstunden elektrischer Energie; das entspricht etwa drei Prozent des weltweiten Strombedarfs. Auf guten Standorten sind die Stromgestehungskosten von Windkraftanlagen mittlerweile günstiger als die Stromgestehungskosten neuer Kohle- und Kernkraftwerke (Quelle: wikipedia.de). 

 

Eines der führenden Windkraftunternehmen ist die Firma Enercon mit Sitz im niedersächsischen Aurich. Der Betrieb wurde im 1984 vom Ingenieur Dr. h. c. Aloys Wobben gegründet und hatte 2014 13000 Beschäftigte. Bislang wurden Unternehmensangaben zufolge in 30 Ländern mehr als 22000 Windanlagen mit einer Leistung von 32,9 Gigawatt gebaut. Der 1952 geborene Gründer gilt als Windenergie-Pionier und zählt zu den reichsten Deutschen. 2013 schaffte es Wobben mit einem geschätzten Vermögen von 5,6 Milliarden Euro auf Platz 16 des „Manager-Magazin“-Rankings. Das Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ ermittelte 2015 ein geschätztes Vermögen von 7,5 Milliarden Euro, Wobben erreichte somit Platz 14 der reichsten Deutschen.

 

Aloys Wobben hat jedoch nicht nur technische Innovationskraft gezeigt. Sondern er hat auch mit der Familienstiftung eine besondere Strukturidee genutzt, um Enercon in eine strukturelle stabile Zukunft zu führen und das Unternehmen über die Generationen hinweg zu sichern. Der Ingenieur hatte zum 1. Oktober 2012 seine gesamten Gesellschaftsanteile an der Enercon Gruppe (wozu eine ganze Reihe weiterer Gesellschaften gehört) in die Aloys Wobben Stiftung übertragen. Die Familienstiftung mit Sitz in Aurich ist damit alleinige Gesellschafterin der Enercon Gruppe.

 

„Ich ziehe mich aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Geschäftsleben zurück und danke allen meinen Mitarbeitern, die unseren bisherigen Erfolg durch ihre engagierte Mitarbeit für unsere Vision – Energie für die Welt – mitgetragen haben. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft weiterhin ein vertrauensvolles Zusammenwirken und Zusammenhalten“, begründete Dr. Aloys Wobben seinen Entschluss zu dieser gesicherten Nachfolgeregelung seinerzeit in einer Pressemitteilung. Die Familienstiftung schaffe einen Übergang, bei dem die Stabilität von Enercon und die Kontinuität der Unternehmensausrichtung erhalten blieben.

 

Mit der Gründung solle Wobbens Lebenswerk bewahrt und die Unabhängigkeit des führenden deutschen und europäischen Windenergieanlagenherstellers langfristig gesichert werden. Die nachhaltige und zukunftsorientierte Ausrichtung der Enercon-Unternehmensstrategie werde dadurch dauerhaft festgeschrieben. Dem Vorstand der Aloys Wobben Stiftung gehören der Geschäftsführer der Enercon GmbH, Hans-Dieter Kettwig, als Vorstandsvorsitzender, Nicole Fritsch-Nehring als stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Simon-Hermann Wobben als Vorstandsmitglied an. 

Was zeigt diese Umschichtung der Gesellschaftsanteile aus dem Privatvermögen in eine Familienstiftung? Das Instrument bietet auch und gerade für hochvermögende Unternehmer und Familien eine passende strategische Lösung, um ein Unternehmen ohne Nachfolgediskussionen auf der Gesellschafterebene in die Zukunft zu führen. Die Aloys Wobben Stiftung tritt nun dauerhaft an die Stelle des beziehungsweise der Gesellschafter, deren Funktion spätestens mit dem Tode erlischt. Die Familienstiftung jedoch ist als Gesellschafterin gesetzt, und keine Streitigkeit, kein Unfall, keine Krankheit etc. kann dafür sorgen, dass sie ihre Gesellschaftsrechte nicht mehr ausüben kann.

Die Familienstiftung vermeidet mit einer klaren Stiftungssatzung unangenehme Situationen in der Erbengeneration, denn es stehen im Erbfall keine Anteile zur Disposition, über die Erben und ihre Partner in Streit geraten können. Die Praxis zeigt, dass viele Unternehmen gerade im familiengeführten Mittelstand an der Uneinigkeit der Erbengeneration zerbrechen. Auch ein Verkauf von Anteilen, egal wie hoch das Angebot sein mag, ist bei einem entsprechenden Stifterwillen nicht möglich – damit unterstricht die Einsetzung der Familienstiftung den Anspruch Wobbens, die Unabhängigkeit seines Unternehmens dauerhaft zu wahren.

 

Die Aloys Wobben Stiftung verbindet die gesellschaftsrechtliche Stabilität der privatnützigen Stiftung mit einer operativen Führung, die sich aus der Familie und aus einem Fremdmanagement rekrutiert. Dass diese Unternehmensführung gleichzeitig auch die Geschicke der Familienstiftung leitet (ohne weitere Vorstandsmitglieder), ist am Markt selten zu sehen, ergibt aber unter strategischen Gesichtspunkten durchaus Sinn. 

Da die Aloys Wobben Stiftung ausschließlich darauf abzielt, die Enercon Gruppe gesellschaftsrechtlich zu führen, fällt die doppelte Tätigkeit des Stiftungsvorstandes und der Unternehmensgeschäftsführung vorteilhaft zusammen. Hans-Dieter Kettwig, Nicole Fritsch-Nehring und Simon-Hermann Wobben kennen die unternehmerischen Anforderungen der Enercon Gruppe bestens und können dementsprechend Familienstiftung und Unternehmen gleichermaßen zum bestmöglichen und langfristigen wirtschaftlichen Erfolg organisieren. 

 

Aloys Wobben hat aber noch etwas getan, außer sein Unternehmen vor jedem ungewollten Zugriff zu schützen. Er hat über die Stiftungssatzung die Strategie noch einmal explizit definiert, und zwar im Sinne der „nachhaltigen und zukunftsorientierten Ausrichtung“. Die vom Gründer über die Jahre hinweg entwickelte Unternehmensstrategie kann, so lässt sich aus der Formulierung ermitteln, keine spürbare Veränderung erfahren, die dem Willen des Stifters und seinen Vorstellungen von Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung entgegensteht. Das heißt: Auch ohne Funktion in Familienstiftung und Unternehmen bleibt der Gründer Aloys Wobben Enercon erhalten und er kann sich sicher sein, dass er dauerhaft fortwirkt.

Die Familienstiftung ist, wie das Beispiel Enercon zeigt, eine attraktive Lösung für den (gehobenen) Mittelstand, der nach Instrumenten zur Asset Protection, zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit und zur Ausschaltung von Erb- und Nachfolgeproblematiken sucht. Gerade für technische Innovationsträger schafft die Familienstiftung eine Basis für die weitere Entwicklung und entkoppelt das Unternehmen von der Person des Gründers und Gesellschafters. Dieser kann sich zurückziehen und die operative Führung in die Hände der Familie und/oder angestellter Manager legen, ohne jedoch dass sein Einfluss auf die Geschickte des Unternehmens verloren geht. Denn dank der Stiftungssatzung der Familienstiftung ist sein Denken, seine Philosophie, sein Ethos dauerhaft verankert.