Unternehmensnachfolge in einem Dienstleistungsunternehmen

VON LUDWIG EICKELPASCH

 

Thema und Branche des Unternehmer-Talks vom 1.10.2021 waren die Unternehmensnachfolge in einem Dienstleistungsunternehmen mit Hotellerie, Gastronomie und Metzgerei. Das Unternehmen ist DEHOGA-Mitglied. Daher wurden vorab alle DEHOGA Landesgeschäftsstellen schriftlich über diesen Unternehmer-Talk informiert.

 

Referentin

  • Frau Antonia Jacob, Tochter der heutigen Inhaber des TEICHHOFS in Grandenborn im Ringgau (Nord-Ost-Hessen)

Zuhörer und Tippgeber

  • Frau Anna Friedrich, Geschäftsführerin im Ambassador Hotel Baunatal
  • Herr Christian Gerlach, Inhaber Flair Hotel Werbetal am Edersee
  • Herr Gereon Haumann, Präsident des DEHOGA Landesverbandes Rheinland-Pfalz
  • Herr Oliver Kasties, Geschäftsführer DEHOGA Hessen e.V., Nord- und Osthessen

Veranstalter, Zuhörer und Tippgeber

  • Herr Thorsten Klinkner, Spezialist für die Einrichtung von Stiftungsstrukturen in Familienunternehmen (Steuerberater undRechtsanwalt), Gründer und Inhaber der UNTERNEHMERKOMPOSITIONEN GmbH in Meerbusch
  • Herr Ludwig Eickelpasch, Spezialist zu Führungsaufgaben in Nachfolgeprozessen und der ganzheitlichen Begleitung von Unternehmerinnen und Unternehmern (Diplomkaufmann), Gründer und Inhaber von initiative+entwicklung
  • Frau Johanna Görgemanns, Verantwortliche für interdisziplinäre Projektzusammenarbeit in der UNTERNEHMERKOMPOSITIONEN GmbH

Aus seinen Erfahrungen in Situationen der Unternehmensnachfolge sieht unser Gastautor Ludwig Eickelpasch die Stiftung als stabilisierendes Instrument für eine nachhaltige und generationenübergreifende Unternehmensentwicklung und Unternehmenssicherung. 

Nach Abschluss seines Betriebswirtschaftsstudiums im Jahr 1978 hat er eigene und fremde Familienunternehmen auch in schwierigen Krisensituationen erfolgreich gegründet und geleitet. Den Kern seines Erfolges sieht er in der Unterstützung der Gemeinschaftsbildung in mittelständischen Unternehmen durch den offenen Umgang mit Führungsfragen. Dieser basiert in Freiheit auf gegenseitigem Vertrauen und Verantwortung zwischen den Menschen in den Unternehmen.


Ziel des Unternehmer-Talks ist es, Unternehmer zu Wort kommen zu lassen, die aus ihrer Praxis über Schwierigkeiten, Herausforderung und Erfolge in der Unternehmensnachfolge berichten. Diese Erzählungen stehen in keinen Lehrbüchern und in keinen Unternehmensberichten. Im Unternehmer-Talk erhalten Referentinnen und Referenten / Unternehmerinnen und Unternehmer von ihren Kolleginnen und Kollegen praktische Tipps zu ihren Fragen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer erfahren Ideen für ihre Situationen. Es entstehen neue Verbindungen zwischen den Menschen.

 

Der Unternehmer-Talk ist ein geschützter Raum. Es erfolgen keine Aufzeichnungen. Namentliche Veröffentlichungen erfolgen nur mit Zustimmung der Beteiligten.

 

Die Referentin, Frau Jacob, stellt den TEICHHOF in Grandenborn vor

 

In Grandenborn, einem Ort mit 350 Einwohnern, auf einem Hochplateau im Ringgau, führen die Eltern von Frau Jacob den TEICHHOF, ein Hotel mit einer Gaststätte und einer Metzgerei. Das Unternehmen wurde 1921 gegründet, ist also jetzt 100 Jahren alt geworden. 28 Mitarbeiter sind dort tätig. Es ist bekannt, dass Frau Jacob und ihr Bruder das Unternehmen in der Familie fortführen wollen. Beide haben dazu eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen. Sie ist Assistentin für Hotelmanagement. Praxis für ihre Ausbildung hat sie in Unternehmen in Österreich und Sachsen erworben. Ihr Ehemann ist ebenfalls „mit von der Partie“. Ihr Bruder ist gelernter Koch. Aus der Küche versorgt er die Gäste auch mit Spezialitäten der Region. Ihr Vater ist Metzgermeister und verantwortlich für die Herstellung vieler, für die Region typischer Fleischspezialitäten. Ihre Mutter behält aus der Verwaltung heraus den Überblick.

 

Mit der Fortführungsabsicht wissen auch die Mitarbeiter, dass ihre Arbeitsplätze gesichert sind. Sie haben Frau Jacob und ihren Bruder als Nachfolger akzeptiert. Da die Geschwister im Unternehmen aufgewachsen sind ist ihnen der Umgang mit den Gästen vertraut. Mit der Investition in den Neubau eines Bettenhauses mit 15 Doppelzimmern setzen die Geschwister ein konkretes Zeichen für das

Wachstum in die Zukunft.

 

Frau Jacob und ihr Bruder wurden schon früh von den Eltern bei Entscheidungen im Familienrat einbezogen. Heute halten sich die Eltern im Hintergrund. Sollte es aber Schwierigkeiten geben stehen sie ihren Kindern bei der Lösung zur Seite. Dies bedeutet für die beiden eine große Sicherheit.

 

In Grandenborn ist Ruhe. Das schätzen nicht nur die Wanderer, sondern auch viele Geschäftsreisende die von dort aus ihre Kunden in Kassel, Eisenach oder Bad Hersfeld besuchen und im TEICHHOF übernachten. Die Anfrage von Unternehmen mit Busreisen nimmt zu. Die Verweildauer der Gäste ist in den letzten Jahren von 1 bis 2 auf 4 bis 5 Nächte gestiegen.

 

Die Familie beschäftigt sich seit 4 bis 5 Jahren mit der Unternehmensnachfolge. Alle zusammen haben fast ideale Voraussetzungen für ein gutes Gelingen der Nachfolge geschaffen. Doch jetzt suchen sie den nächsten Schritt. Ihren Steuerberater und die Hausbank haben sie in ihre Überlegungen einbezogen. Beide kümmern sich nur um ihren Kernthemen. Frau Jacob vermisst jedoch den Blick auf´s Ganze.

 

Bisher hat sie erfahren, dass es nicht nur den einen Weg in die Nachfolge gibt. Es gibt aktuell keinen Zeitdruck für die Unternehmensübergabe. Sie und ihr Bruder sind heute Angestellte im Unternehmen. Durch die Unternehmensnachfolge wird sich dies ändern. Sie werden dann Gesellschafter.

 

Fragen an Frau Jacob

  • Wie können bei der Nachfolge die Rollen in der Familie umgestaltet werden?
  • Wie verändert sich dann die Situation im Familienrat?
  • Wie können die Aufgaben zwischen ihr und ihrem Bruder aufgeteilt werden?
  • Wie sollen die Geschwister die Geschäftsführung organisieren?
  • Was bedeutet das für die Gesellschaftsanteile im Unternehmen?
  • Sollte das Unternehmen schrittweise oder im Ganzen an sie und ihren Bruder übergeben werden?
  • Welche Regelungen sind zur Verbindung der Eltern im Unternehmen zu bedenken?
  • Wie werden ihre Eltern zukünftig eingebunden?
  • Ihr Vater ist eine sehr markante Persönlichkeit. Wie kann von ihr oder ihrem Bruder seine Rolle ausgefüllt werden?
  • Was geschieht, wenn die Eltern aus dem Hintergrund keine Unterstützung mehr geben können?
  • Wie können die Geschwister Fremdmittel in Anspruch nehmen?

Für die Investition in das neue Bettenhaus werden Fremdmittel benötigt. Die Hausbank möchte

die Eltern mit in die Haftung nehmen.

  • Wie können die Geschwister ihre Position gegenüber der Bank einnehmen?
  • Werden die Eltern von einer finanziellen Verpflichtung für eine Zukunftsinvestition entbunden?
  • Hat jemand aus dem Kreis der Teilnehmer bereits eine Nachfolge durchgeführt?
  • Hat jemand einen Tipp für Frau Jacob?

 

Hinweise aus dem Kreis der Zuhörer

 

Thorsten Klinkner:

Die beschriebenen Situation ist eine ideale Ausgangsposition für eine Familiennachfolge. Zu lösender Knackpunkt ist aktuell die Rollenverteilung zwischen ihr und ihrem Bruder. Allgemein wird dieser Bereich als Soft-Faktor bezeichnet. Er ist aber zentral für den Erfolg. Daher empfiehlt Herr Klinkner professionelle Begleitung in Anspruch zu nehmen zu Fragen wie z. B.:

  • Wer hat welche Aufgaben?
  • Wie kann man miteinander arbeiten?

Aus der Geschwistersituation als Gesellschafter und/oder Geschäftsführer sollten die Stärken entwickeln werden. Bei einer Außensicht können enttäuschte Erwartungen oder Hoffnungen zum Vorschein kommen. Es wird hilfreich sein, sich über die Situation eines Familienunternehmers bewusst zu werden.

  • Welches Verhältnis besteht zur Familie, zum Unternehmen, zu den Mitarbeitern, zu Außenstehenden?
  • Wie hält er das Unternehmen zusammen?
  • Wie gestaltet er die Entwicklungsaufgabe?

Neben dem Verhältnis der Geschwister ist die Rolle der Eltern zu regeln.

Erstaunlich ist die Haftungsforderung der Hausbank.

 

Ludwig Eickelpasch:

Es ist wichtig den Zeitpunkt des "Loslassens" zu finden. Frau Jacob und ihr Bruder werden erst dann ihre Unternehmeraufgaben wirklich wahrnehmen, wenn sie „vorne“ stehen, wenn sie also in der eigenen Verantwortung sind. Solange die Eltern im Hintergrund mögliche Fehlentscheidungen korrigieren (doppelter Boden) wird die Haltung zur Eigenverantwortung nicht durchgreifen. Bei der Suche nach dem Zeitpunkt des Loslassens sollten Möglichkeiten für die von Herrn Klinkner angesprochenen Fragen angeschaut werden. Den absolut richtigen Zeitpunkt für die Entscheidung zum Loslassen gibt es nicht. Sie wird aber im Bauch getroffen.

  • Welche Aufgabe haben die Eltern nach dem Übergang des Unternehmens auf die Kinder? (Siehe hier auch den Rückblick zum UNTERNEHMER-TALK vom 6. August dieses Jahres.)

Christian Gerlach:

Er ist als abgebender Kollege von Frau Jacob in einer ähnlichen Situation. In einigen Jahren wollen seine Kinder das Hotel mit der Gastronomie fortführen. Er findet es ebenso wichtig mit einem Begleiter Aufgaben und Führungsfragen von außen anzusehen. Auch in seinem Unternehmen werden Fragen gemeinsam besprochen und Entscheidungen in der Familie getroffen. Die Mitarbeiter in seiner Hausbank wissen, dass die heutigen Investitionen von der nächsten Generation bezahlt werden müssen.

 

Die Hausbank von Frau Jacob sollte froh sein, dass es Nachfolger gibt, die investieren wollen. Seine Erfahrung ist, dass Immobilien für eine Bank nur eine geringe Sicherheit darstellen. In einer Insolvenz muss die Bank diese dann auch noch versorgen. Er hält es für wichtiger, wenn in den letzten Jahren gute Erträge erwirtschaftet wurden und man seinen finanziellen Verpflichtungen immer nachgekommen ist. Aus seiner Praxis empfiehlt er zum geplanten Bettenhaus einen Frühstücksraum einzurichten.

 

Oliver Kasties:

Als Vorteil einer Nachfolge in der Familie sieht er, dass im Prozess der Zeitdruck vermieden werden kann die Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen den Abgebenden und den Nachfolgern gut abgestimmt werden kann.

 

Wir danken Frau Jacob herzlich für die Teilnahme am UNTERNEHMER-TALK und die offene und interessante Darstellung ihrer Unternehmenssituation. Sollten Sie Fragen rund um die Unternehmensnachfolge haben, begrüßen wir Sie gerne als Teilnehmerin oder Teilnehmer und als Referentin oder Referent. Sie lernen neue Unternehmerkollegen kennen und erhalten von ihnen wertvolle Hinweise für Ihre Praxis.