Probleme der gesetzlichen Erbfolge im Gesellschaftsrecht

VON NOTARIN DR. SABINE KRAMPEN-LIETZKE

 

Ein Erbfall kann viele rechtliche Probleme mit sich bringen, wenn nicht hinreichend vorgesorgt wird. Der folgende Beitrag stellt dar, was passieren kann, wenn jemand ohne Verfügung von Todes wegen verstirbt, der an einer Gesellschaft beteiligt war.

Dr. Sabine Krampen-Lietzke hat Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster studiert, wo sie auch promoviert wurde. Nach dem zweiten Staatsexamen trat sie in den Anwärterdienst auf das Amt der Notarin ein und war in zahlreichen Notariaten im Rheinland tätig. 2018 wurde sie zur Notarin in Düsseldorf ernannt.


Gesetzliche Erbfolge

Nach der gesetzlichen Erbfolge erbt der überlebende Ehegatte neben den Abkömmlingen des Erblassers bzw. der Erblasserin. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte neben den Eltern bzw. deren Abkömmlingen, also den Geschwistern des oder der Verstorbenen. In den allermeisten Fällen führt die gesetzliche Erbfolge zu einer Mehrheit von Erbinnen bzw. Erben.

 

Gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Ebene

Bei Beteiligungen an Gesellschaften ist ein Todesfall auf zwei Ebenen zu beleuchten: 

Zunächst spielt es eine Rolle, welche Gesellschaftsform gegeben ist und welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag für den Tod vorsieht. Zum anderen ist von Bedeutung, ob und was die verstorbene Person von Todes wegen verfügt hat, d. h., ob ein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist und mit welchem Inhalt. In diesem Beitrag geht es um die Fälle, in denen kein Testament oder Erbvertrag existiert und somit die gesetzliche Erbfolge greift. 

 

Bedeutung der Gesellschaftsform

In Bezug auf den Tod im Gesellschafterkreis kommt es zunächst darauf an, ob es sich um eine Personengesellschaft oder um eine Kapitalgesellschaft handelt.

 

Personengesellschaften: GbR, oHG und KG

Bei der Grundform der Personengesellschaft – der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – regelt das Gesetz in § 727 Abs. 1 BGB: „Die Gesellschaft wird durch den Tod eines der Gesellschafter aufgelöst, sofern nicht aus dem Gesellschaftsvertrag sich ein anderes ergibt.“

 

Für die offene Handelsgesellschaft (oHG) ordnet das Gesetz demgegenüber an, dass die Gesellschaft bei Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst wird, sondern mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird. Dies ist freilich nur möglich, wenn nach dem Tod mindestens zwei Gesellschafterinnen oder Gesellschafter übrig bleiben. 

 

Fest steht: 

Von Gesetzes wegen geht lediglich die Kommanditbeteiligung auf die Erbinnen und Erben über; im Übrigen bedarf es für den Übergang im Erbfall einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag. Auf das Vorhandensein eines Testaments oder Erbvertrags kommt es damit nur an, wenn der Gesellschaftsvertrag die Beteiligung an der Gesellschaft vererblich stellt. 

 

Sowohl bei der GbR als auch bei der oHG sind verschiedene Regelungen im Gesellschaftsvertrag möglich, die die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters bzw. der verstorbenen Gesellschafterin ermöglichen.  Wichtig ist dabei der Grundsatz der Sondererbfolge:

Während ein Nachlass grundsätzlich bei einer Mehrheit von Erbinnen und/oder Erben auf alle Erbinnen bzw. Erben übergeht und infolgedessen in der Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden ist, spaltet sich eine Beteiligung an einer Personengesellschaft bei mehreren Erbinnen bzw. Erben unmittelbar auf. Dies hat zur Folge, dass es im Hinblick auf die Beteiligung an der Personengesellschaft keiner weiteren Auseinandersetzungshandlung bedarf.

 

Kapitalgesellschaften, insbesondere GmbH

Anteile an Kapitalgesellschaften sind im Unterschied zu solchen an Personengesellschaften von Gesetzes wegen frei vererblich. Die Vererblichkeit von Geschäftsanteilen an einer GmbH kann auch nicht durch die Satzung eingeschränkt werden. Möglich sind indes Einziehungs- oder Zwangsabtretungsklauseln, womit auf einen Übergang des Geschäftsanteils im Erbfall reagiert werden kann. Problematisch ist das Fehlen eines Testaments insbesondere dann, wenn nach der Satzung bestimmte Personen nachfolgeberechtigt sind, neben diesen jedoch aufgrund der gesetzlichen Erbfolge weitere Personen an dem betroffenen Geschäftsanteil berechtigt sind. Hier stellen sich Fragen: Wie ist die Satzung in diesem Fall auszulegen? Besteht ein Einziehungs- oder Zwangsabtretungsrecht auch in dem Fall, in dem eine Personenmehrheit gegeben ist und die Voraussetzungen nicht in der Person jedes einzelnen erfüllt sind? Wie ist die Einziehung bzw. Abtretung praktisch umzusetzen? Wer muss zustimmen? 

Auch kann, je nach Satzungsgestaltung, die Zustimmung aller übrigen Gesellschafterinnen und Gesellschafter zur Erbauseinandersetzung über den Geschäftsanteil notwendig sein. Hier zeigt sich, dass auch bei Kapitalgesellschaften die eigene Nachlassplanung auf die gesellschaftlichen Regelungen abgestimmt sein sollte. 

 

Probleme bei Minderjährigen im Gesellschafterkreis

Wenn Minderjährige an Gesellschaften beteiligt sind, ergeben sich im Zusammenspiel zwischen Gesellschaftsrecht und Minderjährigenschutz viele Fragestellungen, die sich für die Gesellschaft zu ernsthaften Problemen auswachsen können. Besonders betrifft dies die Konstellation, in der neben Minderjährigen auch der überlebende Elternteil an der betroffenen Gesellschaft beteiligt ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn jemand ohne Testament verstirbt und einen Ehegatten sowie ein oder mehrere Kinder hinterlässt. 

 

Vertretung Minderjähriger

Minderjährige werden grundsätzlich von ihren Eltern gemeinsam gesetzlich vertreten, § 1629 Abs. 1 BGB. Stirbt ein Elternteil, ist der überlebende Elternteil in der Regel der alleinige gesetzliche Vertreter. Diese Vertretungsmacht ist jedoch nicht grenzenlos: Zum Schutz des Kindes schließt das Gesetz in bestimmten Fällen eines Interessenskonflikts die Eltern von der Vertretung aus. Das betrifft insbesondere, aber nicht ausschließlich, Rechtsgeschäfte, an denen die Eltern selbst beteiligt sind, § 181 BGB. In diesen Fällen bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers bzw. einer Ergänzungspflegerin nach § 1909 BGB durch das Familiengericht. Die zu bestellende Person wird durch das Familiengericht nach pflichtgemäßem Ermessen ausgewählt. Hierbei sind die Interessen des Kindes zu wahren, so dass die Bestellung naher Angehöriger oder besonderer Vertrauenspersonen der Eltern in der Regel ausscheidet. Das Gericht ist nicht an Vorschläge der Eltern gebunden.

 

Bedeutung der Ergänzungspflegschaft für Gesellschaft und Gesellschafter

Ist die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für eine Person im Gesellschafterkreis erforderlich, stellt dies zunächst eine rechtliche Anforderung dar, die die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zwar nicht vollständig aufhebt, sie aber doch wesentlich verlangsamt. Hinzu kommt, dass mit der Person des Ergänzungspflegers bzw. der Ergänzungspflegerin ein außenstehender Dritter Einblick in die Gesellschaftsinterna erhält, was oft von den Mitgesellschafterinnen und Mitgesellschaftern unerwünscht ist. Schließlich sind die unterschiedlichen, möglicherweise gar widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen: Auf der einen Seite geht es um die in wirtschaftlicher Hinsicht möglichst erfolgreiche Fortführung der Gesellschaft, auf der anderen Seite um den Schutz des bzw. der Minderjährigen. All dies zeigt, dass die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für die Gesellschaft und für die Mitgesellschafterinnen und Mitgesellschafter mit einigen Implikationen verbunden ist.

 

Ergänzungspflegschaft bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags

Erbt der überlebende Ehegatte neben mehreren Kindern einen Anteil an einer GbR oder oHG, so muss beispielsweise zur Änderung des Gesellschaftsvertrags für jedes Kind ein eigener Ergänzungspfleger bzw. eine eigene Ergänzungspflegerin bestellt werden. Denn bei dem Gesellschaftsvertrag sind die Rechtsverhältnisse der Gesellschafterinnen und Gesellschafter untereinander berührt. Zu beachten ist hierbei, dass bereits die Ladung zur Gesellschafterversammlung dem richtigen Vertreter zugehen muss. Im Zweifel wird die Gesellschaft selbst auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers bzw. einer Ergänzungspflegerin hinwirken müssen, um Beschlussmängel zu vermeiden. Ob es darüber hinaus auch einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, ist umstritten.

 

Ergänzungspflegschaft bei Übertragung des Anteils durch einen Mitgesellschafter bzw. eine Mitgesellschafterin

Auch wenn ein anderer Beteiligter an einer Personengesellschaft seinen Anteil veräußern möchte, kann die Bestellung eines Ergänzungspflegers bzw. einer Ergänzungspflegerin erforderlich sein. Denn grundsätzlich bedarf die Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft der Zustimmung aller übrigen Gesellschafterinnen und Gesellschafter. Dies folgt aus der personalistischen Struktur der Personengesellschaften, bei denen ein Wechsel der Mitglieder die essentialia des Gesellschaftsvertrags berührt. Gehört neben einem Minderjährigen dessen Elternteil zum Gesellschafterkreis, ist dieser Elternteil von der Vertretung ausgeschlossen.

 

Sonstige Beschlüsse

Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Geschäftsführungsentscheidungen, also bei Beschlüssen über laufende Angelegenheiten der Gesellschaft, die Vertretung des Minderjährigen durch die Eltern bzw. den überlebenden Elternteil möglich. 

 

Familiengerichtliche Genehmigung bei Grundstücksveräußerungen

Handelt es sich um eine grundstücksverwaltende Gesellschaft und soll ein Grundstück der Gesellschaft veräußert werden, kann eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich sein. Die Rechtsprechung tendiert hier zu einem sehr weiten Normverständnis und sieht eine solche Genehmigung nicht nur bei Grundstücken, die im Alleineigentum der oder des Minderjährigen stehen, als erforderlich an, sondern je nach Fallgestaltung auch bei Grundstücken einer Gesellschaft mit Beteiligung Minderjähriger. Wann genau eine Genehmigung erforderlich ist und wann sie entbehrlich ist, ist nicht bis ins letzte Detail geklärt. In jedem Fall ist eine vorherige Abstimmung mit dem zuständigen Familiengericht angeraten. So kann die Beteiligung Minderjähriger an einer grundstücksverwaltenden Gesellschaft Vorgänge zeitlich verzögern und schwerfälliger machen.

 

Sonderkündigungsrecht bei Personengesellschaften

Für die GbR ordnet § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, Satz 4 BGB ein Sonderkündigungsrecht des volljährig gewordenen Gesellschafters bzw. der volljährig gewordenen Gesellschafterin an. Gleiches gilt nach herrschender Meinung für die oHG. Wird dieses ausgeübt, ist die Gesellschaft aufgelöst – es sei denn, nach der Kündigung verbleiben mindestens zwei Rechtssubjekte im Gesellschafterkreis und der Gesellschaftsvertrag sieht die Fortsetzung der Gesellschaft mit diesen Gesellschaftern vor. In jedem Fall steht dem volljährig gewordenen Gesellschafter bzw. der volljährig gewordenen Gesellschafterin eine Abfindung zu. Ob diese im Gesellschaftsvertrag beschränkt werden kann, ist höchst zweifelhaft. Die Ausübung des Sonderkündigungsrechts kann damit für die Gesellschaft je nach Liquiditätslage existenzbedrohend sein.

 

Fazit

Wer an einer Gesellschaft beteiligt ist, sollte sich in besonderem Maße mit der eigenen Nachlassplanung befassen und professionellen Rat bei der Abstimmung von Gesellschaftsvertrag und Verfügung von Todes wegen einholen. Auch wenn Personengesellschaftsverträge grundsätzlich mündlich geschlossen werden können, ist eine notarielle Beurkundung sinnvoll. Denn Notarinnen und Notare wissen, welche Fallstricke und Zusammenspiele zu beachten sind und finden für jede Konstellation eine passgenaue Lösung. Darüber hinaus empfiehlt sich die kritische Überprüfung in jeder Lebenslage (!), ob die gesetzliche Erbfolge für den eigenen Nachlass passend ist. Auch hierbei helfen Notarinnen und Notare gern – zumal die Beratung in der Beurkundungsgebühr enthalten ist.