VON DR. MARIANNE VOLLMER
Das Unternehmen in der Zukunft sichern
Das eigene Unternehmen, das Werk eines ganzen Lebens, soll sicher in die Hände der nächsten Generation übertragen werden. Das ist Herzenswunsch des Seniors oder der Seniorin, und es ist wirtschaftlich geboten. Der Unternehmer, der mit seinem Betrieb groß und schließlich alt geworden ist, will Sicherheit in seiner Entscheidung haben, dass es für seinen Betrieb erfolgreich weitergehen wird, dass es eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gibt, die bzw. der sein Lebenswerk weiterentwickeln und in Zukunft sichern wird.
Weiche Faktoren und familiäre Gemengelagen
Das Unternehmen, etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, war optimal aufgestellt. Von Vorteil schien auch, dass die Unternehmerfamilie drei Kinder hatte. Der Sohn, der familienintern und gemäß der Tradition als Nachfolger gehandelt wurde, fühlte sich der Tradition verpflichtet und signalisierte seine Zustimmung. Dabei hatte er wenig Ambitionen, „den Job“ anzunehmen. Aber er wollte seinen Vater nicht enttäuschen. Die beiden Töchter waren beide gut qualifiziert, aber gemäß der Familientradition kamen beide nicht als Nachfolgerinnen in Betracht. Dem gemäß hat sich keine der beiden Töchter ernsthaft mit dem Gedanken der Nachfolge beschäftigt.
Eine Erkrankung des Unternehmers veränderte die Situation schlagartig. Je näher die Unternehmensübergabe rückte, umso deutlicher sah sich der Sohn mit all den Vorbehalten konfrontiert, die er jahrelang vor sich selbst vergraben hatte. Für das Unternehmen entstand eine Phase erhöhter Unsicherheit, die auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Lieferanten und Kunden nicht verborgen blieb.
Die erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeit
In einer Phase hoher Unsicherheit werden Entscheidungshilfen benötigt. Diese erhalten Unternehmer und Nachfolger oder Nachfolgerin in Form der fachpsychologisch fundierten Einschätzung jener Persönlichkeitsmerkmale, die das „unternehmerische Potenzial“ beschreiben.
Erfolgreiche Unternehmerinnen oder Unternehmer zeichnen sich durch charakteristische Persönlichkeitsmerkmale aus. Diese zusammengenommen beschreiben das unternehmerische Potenzial. Dazu gehören:
- Effizienz und Planung - sichtbar an einer exzellenten Aufgabenstrategie nach „Analyse, Planung, Umsetzung, Evaluation“.
- Konkurrenzverhalten - verbunden mit einem hohen Maß sozialer Kompetenz.
- Belastbarkeit - das heißt, gleichbleibende Leistungsfähigkeit und Sozialverhalten auch unter erschwerten Bedingungen.
- Unabhängigkeitsstreben - und ein unabhängiges und individualistisches Denken; und die Fähigkeit, neue Regeln zu definieren.
- Extraversion und Kontaktfähigkeit - das heißt, auf Andere zugehen können und in einem neuen sozialen Umfeld Anschluss finden.
- Dominanz - sichtbar an einem Führungswillen, an der Bereitschaft, leitende Positionen einzunehmen und auszufüllen.
- Und weitere…
Insgesamt stehen zwölf Verhaltensfaktoren zur Verfügung, die nachweislich unternehmerisches Potenzial erfassen. In einem speziellen Interviewverfahren wird das unternehmerische Potenzial sichtbar gemacht und anschließend in einem Potenzialprofil dargestellt. Das Ergebnis wird mit Hilfe einer einfachen Skala verdeutlicht.
Die Messung dieser Persönlichkeitsfaktoren ist von hoher Qualität (valide und reliabel), sodass für Unternehmerin oder Unternehmer sowie den Nachfolger (oder die Nachfolgerin) handlungsbezogene Empfehlungen abgeleitet werden können. Für die Familie erhöht sich die Entscheidungssicherheit. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schließlich die gesamte Umgebung des Unternehmens, profitieren von den eindeutigen Signalen.
Die gelungene Nachfolge
Die Messung des unternehmerischen Potenzials zeigte beim Sohn der Familie, dem designierten Nachfolger, was der Sohn „eigentlich“ schon wusste, sich aber nicht eingestehen konnte: Er war als Nachfolger nicht geeignet, die erforderlichen Verhaltensfaktoren waren bei ihm nicht hinreichend deutlich ausgeprägt.
Eine Messung der unternehmerischen Potenziale bei der älteren Tochter hingegen erbrachte eine Überraschung: Die junge Frau zeigte stark ausgeprägte unternehmerische Potenziale und erfüllte damit alle Voraussetzungen, das Unternehmen erfolgreich in die nächste Generation zu führen.
Es ist nicht überraschend, dass sich die Tochter zunächst nicht als mögliche Nachfolgerin gesehen hatte. Die Tradition der Familie sah das nicht vor. Aber noch während der Potenzialeinschätzung stellte sie fest: „Ich glaube, das alles passt ganz genau zu mir“.
Die fundierte Einschätzung des unternehmerischen Potenzials ist eine Entscheidungshilfe für die Unternehmerfamilie und zugleich eine wertvolle Informationsquelle für die möglichen Nachfolgerinnen oder Nachfolger. Insbesondere bei tief verankerten Traditionen ist eine objektive Betrachtung der gegebenen Stärken der Kinder, insbesondere der Töchter, eine interessante Option, mehr noch eine conditio sine qua non, um neue Wege zu gehen.
Das Unternehmen sicher übergeben
Die Bedeutung der Potenzialeinschätzung für die erfolgreiche Unternehmensnachfolge ist offenkundig. Genauso wichtig sind die finanzielle Rahmengestaltung und das Unternehmenskonzept. Die erfolgreiche Nachfolgerin oder der erfolgreiche Nachfolger erwartet, dass das Unternehmen auf die eigene Person, auf die eigenen Stärken neu „zugeschnitten“ wird. Denn wer nur in den Fußstapfen seines Vorgängers geht, kann nie überholen.
Dr. Marianne Vollmer, Dipl. Psych., ist Expertin für wirtschaftspsychologische Fragestellungen. Sie begleitet Veränderungsprozesse und entwickelt dazu moderne Führungskonzepte. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Messung des "unternehmerischen Potenzials" im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge, insbesondere die Unternehmensnachfolge durch Frauen. Die Messung des "unternehmerischen" Potenzials bei der Nachfolgeperson ist Entscheidungsgrundlage für den Senior-Unternehmer oder die Senior-Unternehmerin.
Erfahren Sie mehr unter http://www.vollmerconsulting.de