Die Familienstiftung als Sicherungsinstrument der Unternehmenskultur (Teil 1 von 2)

VON MARTIN BUSS

 

„Das von mir aufgebaute Unternehmen ist mein Baby neben meinen leiblichen Kindern. Das Unternehmen und die Mitarbeiter liegen mir am Herzen und ich fühle mich verantwortlich.“

 

So oder so ähnlich und in unterschiedlichen Abstufungen sprechen zahlreiche Unternehmer in unseren Beratungsterminen über ihr Unternehmen. Von außen betrachtet könnte man meinen, es ginge stiftungsinteressierten Unternehmern darum, das entsprechende Unternehmen zu erhalten, um sich selbst in Gestalt des Unternehmens als „Lebenswerk“ ein Denkmal zu setzen.


Der obenstehende Satz aus unserer Beratungspraxis offenbart jedoch einen ganz anderen Beweggrund für das Bestreben, das Unternehmen samt seiner Kultur zu sichern: Es geht um Emotionen. Und es geht um ein Verantwortungsbewusstsein für all diejenigen Menschen, die ihr eigenes Leben mit dem des aufgebauten Unternehmens verwoben haben. Unerträglich ist für viele Unternehmer der Gedanke, dass das Unternehmen nach ihrem Ableben in der Erbfolge zersplittert, gar nicht mehr weitergeführt wird oder von einem „Sanierer übernommen“ und der gemeinsame Lebensweg von zahlreichen Mitarbeitern und dem Unternehmen jäh beendet wird.

 

Keine Rechtsstruktur ist in der Lage, diese beiden Themen der Unternehmensfortführung und der Sicherung der Unternehmenskultur nach dem Ableben des Unternehmers „automatisch“ zu lösen. Nach unserer Erfahrung steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit dafür signifikant an, dass ein aufgebautes Unternehmen seinen Gründer und auch die nachfolgende(n) Generation(en) „überlebt“, wenn es zu Lebzeiten seines Gründers in eine Familienstiftung überführt wird. Dies hängt mit den Eigenarten der Familienstiftung zusammen.

 

In diesem ersten Teil unserer Artikelserie gehen wir auf die Sicherung des Unternehmens ein. Im zweiten Teil erörtern wir die Möglichkeiten zur Wahrung der Unternehmenskultur.

  1. Eine Familienstiftung ist eine verselbstständigte Vermögensmasse. An einer Familienstiftung hält keine „sterbliche“ Person Anteile. Ebenso wenig ist eine solche natürliche Person Mitglied, Genosse oder Inhaber einer Familienstiftung. Die Familienstiftung und damit das Stiftungsvermögen gehört sich selbst und wird von dem Vorstand verwaltet. Es ist folglich möglich, dass der Unternehmensgründer seine Unternehmensanteile an die von ihm errichtete Familienstiftung überträgt. Rechtlich hat dies zur Folge, dass der Unternehmensgründer seine eigene Stellung als Gesellschafter aufgibt. Durch die Übertragung der Anteile übernimmt nun die Familienstiftung die Rolle des Gesellschafters. Dennoch wollen die meisten Unternehmensgründer nach unserer Beratungserfahrung das Unternehmen zu eigenen Lebzeiten weiterhin „gefühlt wie bisher“ steuern. Das ist möglich, indem der Unternehmensgründer Stiftungsvorstand in der von ihm initiierten Familienstiftung wird. Die alleinige Kontrolle im Vorstand kann sich der Stifter über die Festlegung von entsprechenden Stimm- und Vetorechten in der Satzung absichern. Obwohl der Unternehmensgründer und Stifter die Anteile aus seinem Privateigentum an die Familienstiftung überträgt, kann er faktisch unverändert die Rolle des Gesellschafters (über die Familienstiftung) ausüben. Nur aus der rein rechtlichen Perspektive betrachtet tritt er nun in der Gesellschafterversammlung nicht mehr selbst als Gesellschafter in Erscheinung, sondern als Vorstand der Familienstiftung, die ihrerseits als stabile Gesellschafterin in der Generationenfolge fungiert. 
  2. Der bisherige Unternehmensinhaber erreicht hierdurch nicht nur, dass er zu Lebzeiten faktisch betrachtet unverändert wie ein Unternehmensinhaber agieren kann. Er erreicht zugleich einen wirksamen Schutz des Unternehmens und des übrigen Stiftungsvermögens. Denn im Regelfall ist der bisherige Unternehmensinhaber zugleich Geschäftsführer des Unternehmens. Ein Geschäftsführer haftet für seine Entscheidungen mit seinem Privatvermögen. D&O-Versicherungen decken nach unserer Erfahrung nicht sämtliche Risiken und diese auch nicht in voller Höhe ab. Befinden sich die Unternehmensanteile in einem Haftungsfall im Vermögen einer Familienstiftung, sind sie wirksam vor dem Zugriff von Gläubigern des haftenden Geschäftsführers geschützt. Dass der Geschäftsführer zugleich Mitglied des Stiftungsvorstands ist, ändert nichts an diesem Haftungsschutz des Stiftungsvermögens.
  3. Neben diesem Haftungsschutz erreicht der bisherige Unternehmensinhaber zugleich, dass die Unternehmensanteile vollständig unabhängig werden von seinem Lebensweg/Schicksal und dem seiner Familienmitglieder. Da die Unternehmensanteile nicht mehr zum Privatvermögen des bisherigen Unternehmensinhabers gehören (sondern der Familienstiftung), wird er diese nicht vererben. Es gibt keine Ausgleichs- und Abfindungsansprüche zwischen mehreren Erben hinsichtlich der an die Familienstiftung übertragenen Anteile. Zusätzlich befreit der Stifter nachfolgende Generationen von dem Zwang, Eheverträge zum Schutz des Unternehmens abschließen zu müssen. Und er stiftet Freiheit für die Mitglieder der Stifter-Familie, da sie ihren Wohnort frei nach ihren individuellen und familiären Wünschen auch ins Ausland verlagern zu können, ohne dabei steuerbedingte finanzielle Nackenschläge in Form einer Wegzugsbesteuerung befürchten zu müssen.
  4. Auf diese Weise bleiben die Unternehmensanteile durch das Gestaltungsprinzip der Familienstiftung generationenübergreifend erhalten. Die Familienmitglieder haben die Möglichkeit, sich im Vorstand der Stiftung als Unternehmer zu betätigen. Es ist die Aufgabe des Stiftungsvorstands, die Gesellschafterrolle für die Familienstiftung auszuüben und somit über die Gewinnverwendung und die leitenden Angestelltenpositionen des Unternehmens zu entscheiden. Liegt die persönliche und fachliche Begabung der Familienmitglieder hingegen primär im operativen Bereich, bekleiden sie bspw. eine Position als Geschäftsführer in dem „stiftungsverbundenen Unternehmen“.
  5. Der Ertrag des Unternehmens dient, wie in der bisherigen Eigentümerstruktur, ausschließlich dem (bisherigen) Unternehmensinhaber und seiner Familie. Aufgrund dieses abgeschlossenen Personenkreises der Begünstigten verfolgt die Familienstiftung keinerlei (all)gemeinnützige Zwecke. Eine (privatnützige) Familienstiftung hat ausschließlich den Zweck, die Familienmitglieder zu begünstigen. Wenn er dies möchte, kann der Stifter und Unternehmensgründer in der Stiftungssatzung einen Verteilungsschlüssel festlegen.