Unternehmerische Gestaltung und soziale Gestaltungsfreiheit: Lidl-Gründer Dieter Schwarz mit interessanter Doppelstruktur

Von Thorsten Klinkner

 

Lidl gehört zu den Top 10 des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels und ist in ganz Europa aktiv. Sehr interessant ist die Struktur der übergeordneten Unternehmensgruppe: Während die Dieter-Schwarz-Stiftung gGmbH 99,9 Prozent der Anteile hält, verfügt die Schwarz Unternehmenstreuhand KG über sämtliche Stimmrechte. Und Lidl wird als Stiftung & Co. KG geführt.


Die Zahlen sind beeindruckend: deutschlandweit beschäftigt das Handelsunternehmen Lidl über 79.000 Mitarbeiter in rund 3.200 Filialen, 39 Regionalgesellschaften und am Hauptsitz in Neckarsulm. In den vergangenen Jahren hat Lidl laut eigenen Angaben gezielt mehr Mitarbeiter eingestellt und die Mitarbeiterzahl pro Filiale von elf auf durchschnittlich zwanzig erhöht. „Heute ist Lidl unter den Top 10 des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels und als internationale Unternehmensgruppe mit eigenständigen Landesgesellschaften in ganz Europa aktiv. Lidl verfügt damit – weit vor allen anderen Anbietern – über das größte Netz an Discount-Lebensmittelmärkten in Europa. Auch in Zukunft wird Lidl eine gewichtige Rolle bei der Erschließung neuer Märkte spielen.“ 

 

Die Anfänge von Lidl reichen bis in die 1930er Jahre zurück, als das Unternehmen im Schwäbischen als Lebensmittel-Sortimentsgroßhandlung gegründet wurde. Nach der Eröffnung der ersten Lidl-Filialen rund um Ludwigshafen in den 1970er Jahren, der Expansion innerhalb Deutschlands bis in die späten 1980er Jahre und dem internationalen Engagement seit Beginn der 1990er Jahre bestehen heute Filialen in fast allen Ländern Europas (Quelle: lidl.de). Der Kaufmann Dieter Schwarz hatte von seinem Vater Josef Schwarz die Lidl & Schwarz KG in Heilbronn übernommen. 1972 wurde in Neckarsulm eine neue Unternehmenszentrale eröffnet. Dieter Schwarz leitete das Unternehmen bis 1999. Mit dem Rückzug aus der operativen Unternehmensführung übertrug Schwarz seinen Anteil auf die gemeinnützige Dieter-Schwarz-Stiftung gGmbH, deren Zweck unter anderem die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur ist. 

 

„Die Dieter Schwarz Stiftung fördert ein breites Spektrum an zukunftsorientierten Angeboten im Bereich Bildung und Wissenschaft, das sich an den einzelnen Phasen des menschlichen Lebens orientiert“, heißt es in der Selbstbeschreibung der Stiftung. Die Schwerpunkte der Stiftung sind der Bildungscampus in Heilbronn sowie das ebenfalls in Heilbronn angesiedelte Science Center experimenta, in dem Besucher die Welt der Wissenschaft mit allen Sinnen erleben und sich interaktiv mit Naturwissenschaft und Technik auseinandersetzen können. „Bildung ist unser wichtigster Rohstoff“, sagt dazu der Stifter Dieter Schwarz. Seit Gründung der Dieter Schwarz Stiftung wurden bis heute nahezu 700 Einrichtungen und Initiativen im Bereich Bildung und Wissenschaft unterstützt. Die Stiftung legte die Fundamente und rief verschiedenste Bildungseinrichtungen ins Leben, die komplett von der Stiftung getragen werden. Daneben ist die finanzielle Förderung von Initiativen Dritter ein Anliegen der Stiftung.

 

Die Dieter-Schwarz-Stiftung ist eine gemeinnützige GmbH, die sich mittels der Schwarz Beteiligungs GmbH aus Ausschüttungen der beiden Unternehmen Lidl Stiftung und Kaufland Stiftung (beide Teil der Schwarz-Gruppe) finanziert. Die Schwarz-Gruppe wiederum ist mit einem Jahresumsatz von 96,9 Milliarden Euro (2017) der größte Handelskonzern Europas. Der deutsche Handelskonzern mit Sitz in Neckarsulm kontrolliert als Muttergesellschaft die Einzelhandelsunternehmen Lidl und Kaufland (Quelle: wikipedia.de). 

 

In dieser Konstellation wird die Schwarz Beteiligungs GmbH von der Schwarz Unternehmenstreuhand KG und der Dieter-Schwarz-Stiftung gGmbH kontrolliert: Während die Dieter-Schwarz-Stiftung gGmbH 99,9 Prozent der Anteile hält, verfügt die Schwarz Unternehmenstreuhand KG über sämtliche Stimmrechte. Dadurch wird eine strategisch, rechtlich und steuerlich optimale Führung des Unternehmens möglich, indem die Erträge steuergünstig in den gemeinnützigen Teil laufen, aber die KG das operative Geschäft kontrolliert. Daher wird die Firma Lidl auch in der Rechtsform der Stiftung & Co. KG geführt.

 

In dieser Rechtsform fungiert die Stiftung zum Beispiel als persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) einer Personengesellschaft; eine Rolle, die in konventionellen Strukturen sehr häufig eine klassische GmbH einnimmt. Die Stiftung & Co. KG wird in das Handelsregister eingetragen und ist Kaufmann nach dem Handelsgesetzbuch. Es gibt drei Möglichkeiten, diese Rechtsform zu begründen: Erstens ist es möglich, ein Einzelunternehmen in ein solches Stiftungskonstrukt einzubringen; zweitens kann die Stiftung als Komplementärin in eine bereits bestehende Personengesellschaft eintreten; und drittens kann eine GmbH schrittweise in eine Stiftung & Co. KG umgewandelt werden.

 

Im Mittelpunkt steht die Kombination der Eigenschaften der Stiftung mit denen der haftungsbeschränkten Kommanditgesellschaft, die Haftungsrisiken für die hinter der Gesellschaft stehenden Personen ausschließt oder begrenzt. Das Vermögen der Stiftung fördert den durch den Stifter bestimmten Zweck.

 

Die Stiftung & Co. KG sichert damit die Vermögens- und Unternehmenskontinuität in allen Belangen: Durch die Stiftungslösung wird die innenliegende Ertragsquelle jedem Zugriff entzogen.

 

Mit dieser Doppelstruktur hat der Stifter-Unternehmer Dieter Schwarz eine interessante Art und Weise der zukunftsfähigen Gestaltung geschaffen. Sein unternehmerisches Lebenswerk kann nicht veräußert werden. Zugleich erhält er die professionelle Steuerung der Unternehmensgruppe und stellt sicher, dass Erträge aus den Beteiligungen für die satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecke eingesetzt werden. Auch für den Mittelstand kann dieses Modell daher großen Nutzen stiften.