Studie zeigt: Unternehmensnachfolge in Deutschland braucht neue Wege

VON THORSTEN KLINKNER

 

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bringt jährlich seinen Report zur Unternehmensnachfolge heraus. Die Aussichten stimmen nicht gerade positiv, denn die Nachfolge wird für viele Unternehmer schwieriger. Als Option kann sich die Familienstiftung anbieten, mit der sich die Nachfolge über viele Generationen hinweg gestalten lässt.


Mit dem jährlichen Report zur Unternehmensnachfolge ist dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern in Deutschland, eine wichtige Einrichtung gelungen. Auch der aktuelle Report über das Jahr 2018 gibt einmal mehr eine Einsicht in die Situation in der Unternehmensnachfolge und stellt einen interessanten Fundus an Zahlen und Einschätzungen über Unternehmensübertragungen im Mittelstand dar. Grundlage für die DIHK-Aussagen sind Erfahrungsberichte der IHK-Berater der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) zur Unternehmensnachfolge sowie eine statistische Auswertung des IHK-Service zur Unternehmensnachfolge. Insgesamt fußt der DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2018 auf über 23.000 Kontakten von IHK-Experten mit Senior-Unternehmern und Personen, die an der Übernahme eines Unternehmens interessiert sind.

  Das Kernergebnis im Überblick: Im Jahr 2017 haben sich 6.674 Senior-Unternehmer an ihre IHK gewandt, ein abermaliger Rekord in der Historie des DIHK-Reports zur Unternehmensnachfolge seit 2007. Mit 47 Prozent hatte fast jeder zweite Unternehmer zum Zeitpunkt der Beratung noch keinen passenden Nachfolger in Sicht. Das betrifft insgesamt 3.105 Unternehmen – ebenfalls ein neuer Höchststand, wie der DIHK mitteilt. Diese Zahlen decken sich weitgehend mit den Erfahrungen aus der Praxis. Schon seit geraumer Zeit lässt sich beobachten, dass mehr und mehr Unternehmen aufgegeben werden müssen, weil kein Nachfolger zur Verfügung steht. Und der Anteil derer, die bei der Unternehmensnachfolge auf einen Dritten setzen müssen, liegt mittlerweile höher als der derjenigen Unternehmer, die einen Nachfolger in der Familie finden.

  Interessant ist der Bezug des Reports zur Erbschaftsteuer beziehungsweise Schenkungsteuer im Rahmen der Unternehmensübertragung. Diese sorge nach der Neuregelung, die Verschonungen schärfer reglementiert, für hohe Verunsicherung bei Senior-Unternehmern. In Zahlen: Mittlerweile berichten 25 Prozent der potentiellen Nachfolger in der IHK-Beratung, dass die Unsicherheit bei der Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts die familieninterne Nachfolge erschwert – so viel wie noch nie seit Erhebung der Statistik. Schwierigkeiten bei der Nachfolge bereitet auch der emotionale Faktor. So haben 36 Prozent der Senior-Unternehmer Probleme, von ihrem Lebenswerk emotional loszulassen. Und: Kaufinteressenten werden vor dem „emotionalen Aufschlag“ beim Kaufpreis abgeschreckt. Laut dem Bericht fordern mehr als 42 Prozent der Alt-Unternehmer einen zu hohen Kaufpreis.

  Das alles lässt die Zukunft des deutschen Mittelstandes in einem schwierigen Licht erscheinen. Rollt eine Schließungswelle mit erheblichem Substanz- und Know-how-Verlust auf Wirtschaft und Gesellschaft zu? So schlimm ist es wohl nicht. Aber rosig ist die Situation dennoch nicht, kann es doch wirklich zu vermehrten Betriebsaufgaben kommen. Vor allem dann, wenn die Konjunktur gut bleibt und potenzielle Nachfolger auch im Angestelltenverhältnis viel Geld verdienen können, ohne sich hohen unternehmerischen Risiken auszusetzen. Und dabei auch noch auf die viel beschworene Work-Life-Balance achten können, die bei vielen Unternehmen allzu kurz kommt.

  Daher kommt es für Unternehmer mit Weitblick darauf an, auch Alternativen zu den herkömmlichen Wegen der Unternehmensnachfolge und Unternehmensübertragung kennenzulernen. Dabei steht die Familienstiftung im Fokus. Sie kann einen optionalen gesellschafts- und steuerrechtlichen Rahmen schaffen, um ein Unternehmen als Ertragsquelle über die Generationen hinweg zu erhalten, ohne dass sich jemals wieder um einen Gesellschafter gekümmert werden muss. Will heißen: Die Familienstiftung übernimmt die Rolle des Gesellschafters und bietet so die Möglichkeit der unternehmerischen Entfaltung ohne gesellschaftsrechtliche Verantwortung. 

  Gerade in Familien, in denen die Kinder ursprünglich andere Wege gehen wollten, bietet sich die Familienstiftung als Gestaltungsinstrument der Unternehmensnachfolge an. Die Kinder können operativ im Unternehmen tätig werden und/oder eine Funktion in der Stiftung, etwa als Vorstand oder Beirat, einnehmen. Damit ist eine enge Bindung an das Familienunternehmen gegeben, aber eben die Verantwortung auf der Gesellschafterebene genommen. Die Versorgung der Familie ist über die Definition der Ausschüttungsverhältnisse jederzeit gewährleistet, solange das Unternehmen Gewinne abwirft. Das ist eine hohe Motivation für Kinder, wie die Praxis immer wieder zeigt, dem Unternehmen verbunden zu bleiben unter dem Motto: gestalten, ohne zu besitzen.

  Es ist sogar möglich, dass die Kinder vollständig eigene Wege gehen und dennoch dem Unternehmen verbunden bleiben – eben über die Einbindung auf der Strukturebene der Stiftung. Dann können der IT-Unternehmer und die Rechtsanwältin die Geschicke der Stiftung mitbestimmen, während ein angestelltes Management die operative Unternehmensführung in dem Sinne übernimmt, wie es in der Stiftungssatzung festgelegt ist. Das sichert die familiäre Kontinuität auf der einen Seite und eine professionelle operative Führung auf der anderen Seite.

  Entscheidend für den Stiftungsgedanken ist auch die Umgehung von „Steuerbomben“ in der geplanten oder plötzlichen Unternehmensnachfolge. Eine Gefahr, der laut DIHK-Report zu vielen Absagen geplanter Nachfolgen führt. Die Familienstiftung unterliegt bei der Gründung der Schenkungsteuer und dann alle 30 Jahre der Erbersatzsteuer. Diese kann entsprechend in 30 Teilen entrichtet und damit fest geplant werden. Bei einer entsprechenden Planung bestehen keinerlei Risiken, auf einmal einen hohen Liquiditätsabfluss irgendwie realisieren zu müssen. Und die Vermögensübertragung auf die Stiftung kann strategisch so gestaltet werden, dass sie sich steuerlich nicht oder nur marginal auswirkt. Das hat dann etwas mit professioneller Planung zu tun.

  Der Report zur Unternehmensnachfolge des Deutschen Industrie- und Handelskammertags kann und sollte Unternehmern in Deutschland und potenziellen Nachfolgern zu denken geben. Die Gefahren, ohne langfristig angelegte Gestaltung in eine Betriebsschließung hineinzulaufen, sind enorm gewachsen. Mit der Familienstiftung als Nachfolgelösung lassen sich neue Freiheiten erschließen, die die Motivation der Familie, sich am und im Unternehmen zu engagieren, maßgeblich erhöhen können. Das kann die Nachfolge über Generationen hinweg sichern und eine Tradition bewahren.