Stiftung dient der Wahrung und Förderung der Familieninteressen

VON THORSTEN KLINKNER

 

Grundig ist eine deutsche Erfolgsgeschichte. Der Hersteller von Unterhaltungselektronik existiert zwar heute nur noch als Warenzeichen. Aber die Familienstiftung des Unternehmensgründers Max Grundig verwaltet weiterhin ein sehr großes Vermögen. Die Max Grundig Stiftung existiert bereits seit 1970.


Es ist die Geschichte eines Unternehmens, wie sie wohl nur die deutsche Wirtschaftswunderzeit schreiben kann. Die Produkte kennt auch heute noch so gut wie jeder, und auch der Markenname wird weiterhin genutzt – selbst wenn das ursprüngliche Unternehmen längst verschwunden ist. Die Rede ist von Grundig. Das Unternehmen für Unterhaltungselektronik mit Sitz in Fürth und später Nürnberg wurde 1930 von Max Grundig als Radio-Vertriebs Fürth, Grundig & Wurzer gegründet, der 1945 das Röhrenprüfgerät Tubatest und das Messgerät Novatest entwickelte. 

  Mit Erfolg: Zum Jahresende 1946 waren 111 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, der Umsatz belief sich auf 1,3 Millionen Reichsmark. Anfang 1947 dann kaufte Max Grundig von der Stadt Fürth den ehemaligen Kurpark des König-Ludwig-Bades, einer staatlich anerkannten Heilquelle, inklusive zehn Prozent des Heilwassers. Auf 5500 Quadratmetern waren Ende 1948 rund 650 Beschäftigte tätig. Am 7. Juli 1948 benannte Grundig die „RVF Elektrotechnische Fabrik“ in „Grundig Radio-Werk-GmbH“ um, schon am 1. Dezember wurde der Singular „Werk“ durch den Plural „Werke“ ersetzt. Am 15. November 1948 begann der Bau des ersten Verwaltungs- und Direktionsgebäudes, in dem sich heute das Rundfunkmuseum Fürth befindet. Im Februar 1949 verließ das 100.000 Radio die Kurgartenstraße, 800 Beschäftigte produzierten in 25 Werkshallen und Verwaltungsgebäuden, die Monatsproduktion belief sich auf 12.000 Rundfunkgeräte, der Marktanteil betrug 20 Prozent, Grundig war damit Marktführer (alle Informationen: wikipedia.de). 

  Anfang der 1950er Jahre, Grundig war bereits der größte Rundfunkgeräte-Hersteller Europas, erfolgte dann der nächste Meilenstein: Am 25. Dezember startete in Deutschland das erste Fernsehprogramm. Daher mussten auch die Empfänger produziert werden. Der Grundig Fernsehempfänger 610 war als Tischfernseher mit 14 Zoll-Bildschirm mit 998 Mark für größere Käufergruppen erschwinglich. Unter anderem dadurch wuchs das Unternehmen rasant. Grundig kaufte Betriebe aus Nürnberg, Frankfurt am Main und Karlsruhe. 1955 war Grundig der größte Tonbandgerätehersteller der Welt und beschäftigte 8600 Arbeitskräfte, der Umsatz belief sich auf 150 Millionen Mark. 1965 war Grundig auch der größte deutsche Fernsehgeräteproduzent mit 16 Millionen Geräten. 1970 bestanden die Grundig Werke aus 21 Firmen, 19 Fabrikationsstätten, drei weiter im Bau, zwölf Niederlassungen und Vertriebsorganisation im Inland, 34 insgesamt in Europa, 30 in Asien, 57 in Afrika, 22 in Australien, sieben in den USA, 60 in Lateinamerika. 25.000 Beschäftigte erwirtschaften einen Umsatz von 1,14 Milliarden Mark. 1979 erreichte das seit 1972 als Aktiengesellschaft agierende Unternehmen einen personellen Höchststand von 38.460 Beschäftigen, der Gesamtumsatz belief sich auf 2,956 Milliarden Mark (alle Informationen: wikipedia.de).

  Dann kam das Jahr 1984 – und Max Grundig, der Firmenpatriarch aus Nürnberg, sorgte für eine der bis dato bedeutendsten Unternehmensverkäufe der deutschen Wirtschaftsgeschichte. 600 Millionen Mark zahlte das niederländische Elektronikunternehmen Philipps für die Anteile an Grundig, dazu verpflichtete sich das Management 20 Jahre lang und völlig unabhängig von den Kennzahlen 50 Millionen Mark Jahr für Jahr an die Familienstiftung Max Grundig Stiftung zu zahlen. Die Stiftung hatte bereits 1970 Max Grundigs Stelle als Alleininhaber eingenommen und wurde als „Konzernträger-Unternehmen und Holding“ bezeichnet, deren Zweck es gewesen war, dass „der Fortbestand aller Grundig-Unternehmen mit Vorrang dauernd gesichert ist“; weiterhin „die Wahrung und Förderung gemeinsamer Interessen der Angehörigen der Familie Grundig“. Laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (30. Dezember 2018, Nr. 52) hat die Stiftung „keinen gemeinnützigen Zweck, sie dient bis heute nur der Verwaltung des Vermögens zugunsten der Familie und der Wahrung des Andenkens“. Die Familienstiftung wird von Chantal Grundig (der Ehefrau Max Grundigs), Wolfgang Hedel und Dr. Cornelius Weitbrecht geführt.

  Neben dem liquiden Vermögen aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und dem Unternehmensverkauf gehörten und gehören auch bekannte Immobilien zum Portfolio der Max Grundig Stiftung, nämlich unter anderem das Hofgut Mariahalden (eine der renommiertesten Immobilien Baden-Württembergs) und das Schlosshotel Bühlerhöhe im Schwarzwald. 1986 erwarb Max Grundig das in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Kurhaus und ließ es bis 1988 nach Plänen des Architekten Henner Hoos und des Innenarchitekten Jan Wichers für 150 Millionen D-Mark zum Luxushotel ausbauen. Die Bühlerhöhe gehört heute einem Investor aus Kasachstan. Ebenso zum Familienbesitz zählt die Max Grundig Klinik in Bühl, eine Klinik für Internistische und Psychologische Medizin von internationalem Rang.

  Die Unternehmensgeschichte von Grundig ging später nicht glücklich aus. Der Philips-Konzern gab Grundig 1998 aufgrund unbefriedigender Entwicklung des Unternehmens an ein bayerisches Konsortium unter Führung von Anton Kathrein (persönlich haftender Gesellschafter der Kathrein Werke KG) ab. Das Unternehmen erreichte 2001 einen Umsatz in Höhe von 1,281 Milliarden Euro, machte dabei jedoch 150 Millionen Euro Verlust: Der Grundig-Konzern musste schließlich am 14. April 2003 Insolvenz anmelden, der Name existiert seitdem als Warenzeichen der Unternehmen Grundig Intermedia und die Grundig Business Systems.

  Aber der kluge Schachzug von Max Grundig, schon sehr früh die persönliche Gesellschafterverantwortung an die Familienstiftung zu übertragen, hat dazu geführt, das aufgebaute Vermögen der Familie hinter eine Brandmauer zu führen und dort zu schützen und zu entwickeln. Wie es in dem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ heißt: „[Max Grundig] schaffte es, für sich und seine Familie durch den Verkauf des Unternehmens an Philipps ein überaus komfortables finanzielles Polster anzulegen, das in der deutschen Unternehmensgeschichte in dieser Form einzigartig ist. Das Vermögen aus der Max-Grundig-Stiftung […] erlaubte es ihm, großzügig zu investieren.“ Der Industrielle kann durch diese Entscheidung auch zu einem Vorbild für mittelständische Unternehmer werden, die unter dem Schutz einer Familienstiftung ihr Unternehmen in die Zukunft führen möchten.