Das enkelfähige Unternehmen

VON MARTIN BUSS UND THORSTEN KLINKNER

Das Für und Wider einer unternehmensverbundenen Familienstiftung wird immer wieder in der Presse sowie unter Beratern diskutiert. Kritiker unternehmensverbundener Familienstiftungen führen oftmals ins Feld, dass die Stiftung eine starre, komplexe und unflexible Struktur darstelle. Der zuletzt erschienene Aufsatz „Königsweg oder Sackgasse“ von Prof. Dr. Kay Windthorst im Magazin „Enkelfähig“ des Haniel-Konzerns ist eines der jüngsten Beispiele für eine umfassende Kritik. *    


Prof. Windthorst schreibt, eine Stiftungslösung wirke auf den ersten Blick charmant, scheine „sie doch wirtschaftliche und rechtliche Aspekte ebenso zu berücksichtigen wie persönliche Erwägungen des Stifters“. Eine Stiftungsstruktur koste „aber oft einen hohen Preis“.

Dazu zähle, dass flexible Reaktionen auf das Zeitalter der Digitalisierung erschwert würden. Hierzu ist zu sagen, dass es in der überlegten Satzungsgestaltung ein Grundprinzip ist, Regelungen abstrakt abzufassen, so dass die Flexibilität erhalten bleibt. Dies gilt auch für Prozesse der Digitalisierung. Es ist daher sinnvoll, auch – abstrakt – „künftige Kommunikationsverfahren“ als mögliches Verfahren zur Beschlussfassung aufzunehmen und sich nicht auf die gegenwärtig bekannten Verfahren zu beschränken. Dies soll lediglich, weil es in dem Aufsatz von Prof. Windthorst explizit aufgeführt wurde, als Beispiel dazu dienen, dass eine Satzung flexibel und mit Weitblick zu gestalten ist.

Zutreffend ist, dass eine unternehmensverbundene Familienstiftung ausschließlich eine Struktur schafft. Diese Struktur bietet zahlreiche Vorteile wie den Vermögensschutz und die Vermeidung von Erbstreitigkeiten, weil das Vermögen im Eigentum der Stiftung steht und gerade nicht vererbt wird mit der Folge, dass es Erbauseinandersetzungen gibt. Und zutreffend ist ebenso, dass die Gründung einer Familienstiftung sorgfältig durchdacht sein sollte. Hierzu gehören eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Struktur einerseits sowie andererseits und insbesondere mit den eigenen persönlichen Ansichten, Zielen und Motiven.

Die „Drohkulisse“, die in dem Aufsatz von Prof. Windthorst aufgebaut wird und in der sich die Familienmitglieder mit fremden Stiftungsvorständen und Aufsichtsorganen auseinandersetzen müssen und gegebenenfalls sogar von dem Familienvermögen ferngehalten werden, besteht ebenso bei einer zu Ende gedachten Satzung nicht. Der Stifter hat es selbst in der Hand zu regeln, wie er dies nach seinen Vorstellungen regelt. So kann er beispielsweise eine Familienversammlung einrichten, in der sich sämtliche Familienmitglieder befinden, um auf Stiftungsebene einen familiären Willen zu bilden und etwa auch zu beschließen, welche Mitglieder in den Vorstand gewählt werden und ob diesem auch Familienmitglieder angehören sollen. In der Satzung legt der Stifter ebenso fest, für welche Amtszeit ein Vorstandsmitglied jeweils bestellt wird, zum Beispiel ein Jahr, drei Jahre oder fünf Jahre.

Wenn Prof. Windthorst folglich „das Bild zeichnet“, dass die Familienmitglieder außerhalb der Stiftung stünden, einem familienfremden Vorstand auf Gedeih und Verderb ausgeliefert seien und als Bittsteller auf Begünstigungen hoffen müssten, geht dies schlichtweg fehl. Mit einer Ausnahme: wenn es der Stifter ausdrücklich so gewollt und in der Satzung festgelegt hat. Auch hält die Einschätzung Windhorsts, die unternehmensverbundene Familienstiftung führe zu starren operativen Strukturen und einer Problematisierung bei der Auswahl der Manager, der praktischen Probe nicht stand: Vielmehr befähigt die Stiftung dazu, ohne Rücksicht auf gesellschaftsrechtliche Regelungen beziehungsweise Befindlichkeiten auf Gesellschafterebene relevante Entscheidungen in einem Unternehmen durchzusetzen und so viel schneller auf Veränderungsprozesse zu reagieren.

Das Fazit von Prof. Windthorst lautet: „Auf den Punkt gebracht: Stiftungen und Unternehmertum widersprechen sich in ihren Denk- und Verhaltensmustern grundsätzlich.“ Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine Stiftung in Einzelfällen sinnvoll sein kann.

Hierzu ist zu sagen, dass eine Familienstiftung lediglich – wie alle anderen Gestaltungsüberlegungen – eine Möglichkeit bietet, die für sich und die eigene Familie passende Struktur zu schaffen. Bei der Gründung muss sich der Stifter mit den Fragen seiner Ziele und Motive intensiv auseinandersetzen und entsprechende Regelungen treffen.

Die Schaffung einer bloßen Struktur kann niemals in der Lage sein, die Denkprozesse der Menschen zu ersetzen und die eigentlichen Inhalte und Überlegungen entbehrlich zu machen. Dies wäre eine vollkommen verfehlte Erwartungshaltung – auch gegenüber einer Familienstiftung. Es ist bemerkenswert, dass die Kritiker von Stiftungslösungen offenbar meinen, diese Erwartungshaltung bestehe bei den Stiftern und den Befürwortern von Stiftungsstrukturen. Sie besteht nicht, wäre auch verfehlt und vergleichbar mit einer Erwartung, hohe Gewinne zu erwirtschaften, in dem man eine GmbH gründet, ohne inhaltlich einen (lukrativen) Gesellschaftszweck zu verfolgen.

Neben einer reinen Strukturierung sind bei allen Gestaltungsüberlegungen stets Menschen erforderlich, welche die eigentliche Struktur – beispielsweise als Mitglied des Vorstands und/oder der Familienversammlung einer Familienstiftung – mit Leben füllen.

Nicht die Struktur regelt für den Menschen, sondern der Mensch regelt innerhalb der Struktur.

 

* abrufbar unter: http://www.enkelfaehig.de/magazine/mittelstand/koenigsweg-oder-sackgasse/