VON THORSTEN KLINKNER
Der Aldi-Gründer und reichste Deutsche, Karl Albrecht, hat es bereits 1973 vorgemacht: Die Familienstiftung, die rund 75% des Aldi Süd-Vermögens kontrolliert, bedeutet Unternehmensschutz und Familienversorgung. Und die Integration in ein Doppelstiftungs-Modell sorgt dafür, dass unter gewissen Umständen der gemeinnützige Faktor zum Tragen kommt.
Das Unternehmen gehört zu den großen Playern überhaupt, nicht nur in Deutschland, sondern auch international: Rund 250.000 Mitarbeiter, mehr als 62 Milliarden Euro Umsatz, fast 10.000 Filialen,
am Discounter Aldi führt im Lebensmitteleinzelhandel kaum ein Weg vorbei. 1913 gegründet, firmiert das Unternehmen seit 1962 unter dem bekannten Namen, seit 1961 bereits existiert die Aufteilung
in Aldi Nord (Theo Albrecht) und Aldi Süd (Karl Albrecht).
Neben der wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte, die sich stabil seit Jahren und Jahrzehnten fortsetzt, ist auch ein anderer Aspekt bemerkenswert. Denn der 2014 verstorbene Karl Albrecht, zu dem
Zeitpunkt mit einem Vermögen von mehr als 18 Milliarden Euro reichster Mann Deutschland, hat auch als einer der ersten Unternehmer überhaupt das Instrument der Familienstiftung genutzt, um sein
Betriebsvermögen zu verwalten, zu entwickeln – und zu sichern. Karl Albrecht hat die Stiftung „Siepmann-Stiftung“ getauft, dem Mädchennamen seiner Mutter, angesiedelt ist die Familienstiftung im
bayerischen Eichenau.
Der Aldi-Gründer hat der Stiftung eine klare Aufgabe erteilt: Ihr Zweck ist, „das Vermögen der Stiftung und die Erträge hieraus entsprechend dem Stifterwillen zu verwalten, um laufende und
einmalige Zuwendungen (zum Beispiel für den Existenzaufbau, Erwerb oder Errichtung eines Eigenheims) an die Destinatäre vorzunehmen und die von den Stiftern aufgebauten Unternehmen, die
Unternehmensgruppe ALDI Süd, zu erhalten und zu fördern“. So heißt es in dem bayerischen Stiftungsverzeichnis zur Siepmann-Stiftung, die durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich vertreten
wird und als Stiftungsorgane den Stiftungsvorstand, den Kontrollrat und den Familientag kennt.
Aktuelle Informationen zur Zusammensetzung des Leitungsgremiums sind nicht zu ermitteln. Soweit bekannt, wird die Stiftung seit März 2006 von Peter Max Heister, einem Sohn von Beate Heister
(Tochter von Karl Albrecht) geleitet. Dem Vorstand gehören (Stand 2010) neben Beate Heister, Renate Köcher und Jürgen Hambrecht an. Der Vorstand ist Kontrollgremium für den aus drei Managern
bestehenden und von Norbert Podschlapp geführten Koordinierungsrat, der Aldi Süd leitet.
Viel interessanter jedoch als die personelle Zusammensetzung, die sowohl aus Familienmitgliedern als auch externen Fachleuten besteht, ist der Blick auf die Vermögensstruktur. Die Stiftung hält
das Gesamtvermögen und das Markenrecht an Aldi Süd. Zum Gesamtvermögen von Aldi Süd zählen unter anderem die Konzernzentrale von Aldi Süd in Mülheim an der Ruhr, die 31 rechtlich selbständigen
Aldi Süd-Regionalgesellschaften in Deutschland, die neun Auslandsgesellschaften und das Immobilienvermögen der rund 5000 Aldi-Süd-Filialen weltweit. Laut früheren Berechnungen kontrolliert die
Stiftung damit den Handelsriesen zu fast 75 Prozent. Das führt dazu, dass dieser sehr hohe Anteil am Betriebsvermögen im Schoße der Stiftung gesichert ist. Es kann nicht durch
Erbschaftsstreitigkeiten oder aus Gründen der Gewinnmaximierung zersplittert werden, Angriffe durch Investoren von außen sind grundsätzlich ausgeschlossen, und auch ein fehlender Nachfolger auf
Gesellschafterebene stellt aufgrund der stiftungsrechtlichen Konstruktion keinen schwerwiegenden Stolperstein mehr dar. Die Stiftung sichert die Eigentümerstruktur ab, wie Karl Albrecht es in der
Satzung formuliert hat, wenn er schreibt, die Stiftung haben den Zweck, „ die von den Stiftern aufgebauten Unternehmen, die Unternehmensgruppe ALDI Süd, zu erhalten und zu fördern“. Albrecht
stellt ganz eindeutig den Erhalt des Familienunternehmens in den Vordergrund, die Siepmann-Stiftung ist dafür geschaffen worden, den transgenerationalen Erhalt zu gewährleisten. Auch mit einem
Fremd-Management in der operativen Leitung, wie das Unternehmen es bereits seit Jahren vollzieht.
Gleichzeitig dient die Stiftung in erheblichem Maße der Unterstützung der Familie; diese soll laufend oder einmalig aus den Erträgen in der Lebensführung, der unternehmerischen Weiterentwicklung
etc. gefördert werden. Der Stifter ermöglicht damit ein finanzielles sorgenfreies, aber eben nicht ausuferndes Leben. Dieses ist an die Ausschüttungen des Unternehmens gebunden und lässt keine
hohen Zahlungen aus der Substanz der Gruppe zu – genau diese Schwächung der Substanz soll mit der Stiftungslösung ja verhindert werden.
Karl Albrecht belegt mit seiner Siepmann-Stiftung die Bedeutung dieser Konstruktion als Top-Holding. Auch international im größten Maße agierende Unternehmen können sich unter den Schutz der
Familienstiftung begeben, um von der dadurch implementierten Eigentümerstruktur zu profitieren.
Aber Karl Albrecht zeigt noch etwas anderes: nämlich wie eine durchdachte Stiftungs-Strategie noch breiter aufgestellt werden kann. Denn neben der Siepmann-Stiftung bestehen mit der
Oertl-Stiftung, vormals Maria-Albrecht-Stiftung, und der Elisen-Stiftung zwei gemeinnützige Stiftungen. Während die Oertl-Stiftung die Herz-und-Kreislauf-Forschung finanziell unterstützt, widmet
sich die Elisen-Stiftung der Förderung von Kulturprojekten. An diese fällt das Vermögen der Siepmann-Stiftung jeweils zur Hälfte, falls es keine Nachfahren des Stifters Karl Albrecht mehr gibt.
Damit nutzt Albrecht das Instrument der Doppelstiftung und sichert damit – steuerlich aufgrund der Gemeinnützigkeit stark begünstigt – für den Fall der fehlenden Nachkommenschaft sein Unternehmen
in der Oertl- und Elisen-Stiftung ab. Die Funktion der Eigentümerstruktur bleibt bestehen – aber die Empfänger der Ausschüttungen wandeln sich von der Familie hin zu gemeinnützigen Projekten.