Stiftung strukturiert das Eigentum auch in schwierigen Zeiten

VON THORSTEN KLINKNER

Viele Familienunternehmen stehen vor einer Nachfolgeproblematik. Findet der Senior-Unternehmer eine adäquate neue Führung in der Eigentümerfunktion, um die mit viel Einsatz entwickelte Ertragsquelle langfristig für die Familie zu erhalten? Ist das nicht möglich, steht das Unternehmen in seinem Bestand auf dem Spiel. Eine Option: Die Familienstiftung kann an die Stelle des Eigentümers treten und damit das rechtliche Fundament dafür schaffen, ein Unternehmen auch dann in die Zukunft zu führen, wenn die Familie keinen Verantwortlichen stellt. Die Erträge fließen dennoch der Familie zu.


 

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer bisher nicht gekannten Situation. Nach aktuellen Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn steht im Zeitraum von 2014 bis 2018 in rund 135.000 Familienunternehmen die Übergabe an. Dies entspricht 27.000 Übergaben pro Jahr. Damit wächst eine neue Inhabergeneration heran, die in absehbarer Zeit das Rückgrat der Wirtschaft hierzulande lenken wird. Gleichzeitig weisen Statistiken regelmäßig aus, dass immer mehr Senior-Unternehmer Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden. Das gilt sowohl für kleinere als auch größere Betriebe – der Handwerksmeister mit acht Angestellten hat oftmals die gleichen Schwierigkeiten, einen Nachfolger an Bord zu nehmen, wie die international tätige Kapitalgesellschaft und einem Jahresumsatz von einer halben Milliarde Euro.

Oftmals liegt die fehlende Nachfolge an der Spitze des Unternehmens jedoch nicht nur darin begründet, dass sich aus Familie oder Management niemand vordrängt, die neue Rolle zu übernehmen. Immer wieder kann man auch hören, dass der Senior-Unternehmer es den potenziellen Nachfolgern alles andere als leicht macht, sich Veränderungen verschließt und nicht loslassen kann. Das führt dann regelmäßig dazu, dass Unternehmen ohne zukunftsfähige Eigentümerstruktur da stehen und auf Gedeih und Verderb vom Prinzipal abhängig sind – doch dessen Lebenszeit und Energie ist eben zwangsläufig endlich.

Dann ist oft der Verkauf an einen Wettbewerber beziehungsweise Investor oder sogar die vollständige Aufgabe des Unternehmens die Konsequenz. Während in erstem Falle zumindest noch eine finanzielle Kompensation vorhanden ist, steht der Unternehmer bei der Aufgabe ohne Ablöse da – aus den Händen gegeben ist das Unternehmen in jedem Fall, und damit stehen auch die familiäre Tradition, das aufgebaute unternehmerische Wertefundament, die Verantwortung für Mitarbeiter und Lieferanten und vieles andere mehr, das den familiengeführten deutschen Mittelstand prägt, zur Disposition.

Das sind keine Aussichten, die den strategisch denkenden Unternehmer zu Freude verleiten. Für den typischen Familienunternehmer – ob in erster oder späterer Generation –, ist das Unternehmen keine beliebige Ertragsquelle, aus der so viel Geld wie möglich gezogen wird und die dann aufgegeben wird, wenn man sich selbst ausreichend versorgt sieht. Vielmehr gilt, was schon Jim Collins in seinem erstaunlichen Buch Der Weg zu den Besten (S. 246) formuliert hat: „Für ein echtes Spitzenunternehmen sind Geld und Gewinne nichts anderes als Blut und Wasser für einen gesunden Körper: Sie sind zwar lebenswichtig, machen aber nicht das Wesentliche im Leben aus.“ Natürlich sind auch und vor allem strategisch und nach vorne denkende Familienunternehmer bemüht, ihre Organisationen langfristig ertragsstark aufzustellen und Schwächen in der Struktur auszugleichen, getreu dem Leitsatz: „No Margin, no Mission“. Aber das ist nach der Erfahrung sehr vieler Gespräche eben nicht das Eigentliche in Denken und Handeln dieser besonderen Persönlichkeiten. Sie haben vielfach einen zusätzlichen Fokus, der weit über die Ausschüttungen hinausgeht. Wertebasierte Familienunternehmer stellen sich immer häufiger und zu Recht die Frage: Was will ich wirklich? Woran liegen die (unausgesprochenen) Herausforderungen in der Familie? Wie gieße ich meine ethischen oder sogar philosophischen Vorstellungen, die mit der Führung des Unternehmens eng verbunden sind, in eine Struktur und bringe sie mit meiner Eigentümerschaft in Einklang? Und wie schaffe ich es, dass das Unternehmen so über die Generationen hinweg geführt wird, wie ich es erdacht und angelegt habe?
Nimmt man alle diese Punkte zusammen – eine streng leistungswirtschaftliche Ausrichtung und ein fest definiertes Wertefundament – ergibt sich daraus der oben bereits genannte Begriff der Eigentümerstruktur. Doch was genau steckt dahinter? Die Eigentümerstruktur setzt sich aus mehreren Aspekten zusammen, die allesamt dazu beitragen, ein Unternehmen wirklich zukunftssicher aufzustellen. Es geht bei ihrer Schaffung um den psychologischen und emotionalen Aspekt hinter der Unternehmens- und Familienführung und darum, ein Familienunternehmen transgenerational fortführen zu können und Kontrollrechte auf der Grundlage einer bestimmten Kultur zu sichern. Und zwar auch dann, wenn ein Fremd-Management tätig wird, weil sich aus der Familie kein Nachfolger fürs Operative rekrutiert.

Das bedeutet konkret, dass eine feste, individuell erarbeitete und strategische Eigentümerstruktur unter dem Unternehmen ein Fundament errichtet und um selbiges herum eine Brandmauer zieht, welche das Unternehmen gegen negative Einflüsse von außen abschirmen kann. Negative Einflüsse, die beispielsweise aus einer familienfremden, unklaren oder nicht geregelten Nachfolge entstehen können und vom Werteverlust über eine vollständige und nicht gewünschte Strategieänderung bis hin zum völligen Niedergang des Unternehmens führen kann, da sämtliche bisherige Erfolgsfaktoren zum Beispiel einer kurzfristigen Erhöhung der Ausschüttungen geopfert werden.

Die Eigentümerstruktur gewährleistet hingegen, dass das, was der Unternehmer wirklich will, auch über seine Lebzeiten hinaus Bestand hat – selbst wenn ein Fremd-Management installiert wird. Aufgrund einer festen, vorher definierten und vor allem unveränderlichen Struktur hat dieses aber keine Möglichkeit, den Vorstellungen des Unternehmers entgegengesetzte (strategische und operative) Maßnahmen zu ergreifen. Der Unternehmer gibt die Spielregeln vor, er schreibt die Partitur. Die Eigentümerstruktur führt in der Konsequenz dazu, dass keine Fragen nach den Gesellschaftern im Raum stehen – und zwar dauerhaft. Denn wenn die Ebene der Gesellschafter auf Dauer gesichert ist, werden in der operativen Führung kaum Zweifel über den Kurs eines Unternehmens aufkommen; und es wird sichergestellt, dass das Management nach den Vorstellungen und Vorgaben des Eigentümers beziehungsweise der Eigentümer handelt – auch wenn diese irgendwann keinerlei Kontrollfunktion mehr wahrnehmen können.

Das ist das, was viele strategisch denkende Unternehmer tatsächlich wollen. Für sie ist der langfristige Erhalt des Unternehmens als familiäre Werteschatzkammer und Ertragsquelle wichtig, sie wollen ihre Gedanken und Vorstellungen darin verankern und das Unternehmen so gestalten, dass auch die kommenden Generationen davon profitieren können. Der Gedanke an Zersplitterung aufgrund einer fehlenden familiären Mehrheit oder aufgrund von Profitgier seitens (einiger) Erben ist ihnen ein Graus und soll in solchen unternehmerischen Konstellationen um jeden Preis verhindert werden –Transgenerationalität bedeutet ja schließlich nicht, die Ertragsquelle durch den Transfer auf die nächste Generation der Auflösung anheim zu stellen, sondern über die Generationen hinweg als Quelle für finanzielle Versorgung der Familie sowie eben auch als Bewahrer von echten Werten, die für Familie, Gesellschaft und eben Unternehmen wichtig sind.

Durch die Eigentümerstruktur ist der Kurs eines Unternehmens also für die Ewigkeit gesetzt, denn die Besitz- und Ordnungsverhältnisse sind eindeutig geregelt. Der Rahmen ist fixiert und unabänderlich. Doch nun stellt sich zwangsläufig die Frage: Mit welchen rechtlichen Instrumenten ist das möglich? Wie lässt sich diese Eigentümerstruktur rechtssicher gestalten, ohne dass es Schlupflöcher für eventuelle „Angreifer“ innerhalb und außerhalb der Familie gibt? Die Antwort: die Familienstiftung.

Die Familienstiftung als besonderes Rechtsinstitut im deutschen Gesellschaftsrecht wird durch lebzeitige Schenkung oder Erbschaft im Todesfall zur Eigentümerin des Unternehmens und verselbstständigt damit die Vermögensmasse, die das Unternehmen darstellt. Die Stiftung verwaltet als eigenständiges System die Ertragsquellen der Unternehmer-Familie und wird nur durch den Willen des Stifters und der von ihm eingesetzten Organe in dessen Sinne geführt. Damit sichert die Stiftung den Fortbestand der Ertragsquellen, sei es Unternehmen oder Investment-Portfolio, ab. Sie braucht und hat keine Gesellschafter/Aktionäre, es existieren keine Mitgliedschafts- und/oder vermögenswerte Beteiligungsrechte an der Stiftung als Eigentümerin. Damit schafft die Stiftung eine Eigentümerstruktur, und das Eigentumsrecht der Stiftung wandelt sich zu einer stabilen Nutzungsbefugnis auf der Grundlage des Stiftungszwecks.

Und dieser Stiftungszweck wird in der Satzung der Familienstiftung festgelegt und vom
Stifter-Unternehmer bestimmt. Darin können sämtliche ethische und philosophische Vorstellungen, die das Unternehmen bisher prägen, niedergelegt und damit in die Stiftung und die künftige Steuerung der Ertragsquelle eingebracht werden. Alle Werte und Eckpunkte, die dem Stifter-Unternehmer am Herzen liegen und die in der Satzung verankert werden, sind bindend für die Führung der Stiftung und dem darin eingebrachten Unternehmen. Das gilt sowohl für die Familie als auch für ein mögliches Fremdmanagement: Die Leitlinien der Unternehmerfamilie zur Steuerung, Kontrolle und Weiterentwicklung des Unternehmens bleiben dauerhaft stabil.

Stabil bleiben auch die Ausschüttungen an die Begünstigten, die der Stifter-Unternehmer in der Satzung festlegt; typischerweise werden das die Familienmitglieder sein, die auch bei einer herkömmlichen Unternehmensform von den Erträgen profitieren würden. Auch wenn eine Ertragsquelle nicht mehr im Familienbesitz ist, sorgt die Stiftungs-Strategie für einen stabilen Cash Flow durch die Ertragskraft des eingebrachten Unternehmens.

Die Eigentümerstruktur der Familienstiftung sorgt also für einen stabilen Erhalt eines Unternehmens, auch wenn kein familiärer oder unternehmensinterner Nachfolger im Sinne der gesellschaftsrechtlichen Eigentümerschaft bereit steht. Die Stiftung übernimmt diese Rolle, „nur“ eine operative Führung innerhalb der Struktur wird benötigt, um das Unternehmen wirtschaftlich zu erhalten. Hier können auch Chancen für motivierte Führungskräfte eröffnet werden. Ohne die Verantwortung des Eigentums. Die Stiftung löst damit die Nachfolgefrage im Eigentum für den Unternehmer; sie tritt im Sinne der rechtlichen und ethischen Führung an die Stelle des Unternehmers. Das gilt auch in unsicheren Zeiten, die ein gesellschaftsrechtlich herkömmlich strukturiertes Unternehmen möglicherweise in existenzielle Schwierigkeiten führen könnte.