VON THORSTEN KLINKNER
Der Regierungsentwurf zur verfassungsrechtlich geforderten Erbschaft- und Schenkungsteuer befindet sich im Gesetzgebungsverfahren. Noch dieses Jahr könnte das neue Gesetz verabschiedet werden. Auf Unternehmen wird das erhebliche Auswirkungen haben. Für strategisch denkende Unternehmer ändern sich die Rahmendaten. Weiterhin ist die Stiftung eine alternative Form zur langfristigen Gestaltung unternehmerischer und familiärer Interessen.
Es hat eine ganze Weile gedauert, und neben vielen Nachrichten wurde noch mehr spekuliert, seit das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten 2014 das bislang geltende Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) hinsichtlich der Übertragung von Betriebsvermögen in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Karlsruher Richter haben dem Gesetzgeber Zeit gegeben, bis spätestens zum 30. Juni kommenden Jahres eine verfassungskonforme Regelung auf den Weg zu bringen. In dem nun zurückliegenden dreiviertel Jahr wurden Schreckens-Szenarien genauso an die Wand gemalt wie Forderungen, dass sämtliche Ideen gar nicht weit genug gingen. Seit einigen Wochen kristallisiert sich deutlicher heraus, welchen Weg der Gesetzgeber – vor allem in Person des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble – tatsächlich anstrebt.
Doch der Reihe nach. Im Rahmen des Regierungsentwurfs zum neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz und den damit avisierten Änderungen ergibt es durchaus Sinn, noch einmal auf die Vorgeschichte zu schauen und zu beschreiben, um was es eigentlich tatsächlich bei der Neuregelung geht. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 17. Dezember die §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des ErbStG für verfassungswidrig erklärt. Die Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer sei zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden, aber in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar, verkündeten die Richter. Der Übergang von Unternehmensvermögen – also im praktischen Regelfall die Weitergabe von Gesellschaftsanteilen – ist bislang in Deutschland insofern begünstigt, als dass entweder 85 Prozent oder 100 Prozent des Vermögens erbschaftsteuerfrei übertragbar sind; je nachdem, ob eine fünf- oder siebenjährige Haltefrist am Unternehmen seitens des Erben, des Beschenkten oder der errichteten Stiftung wahrgenommen wird. Die Verfassungsrichter begründeten ihr Urteil mit der Unverhältnismäßigkeit der Vergünstigung von Unternehmensübertragungen, soweit diese über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreife, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
Ebenfalls unverhältnismäßig seien die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 Prozent. §§ 13a und 13b ErbStG seien auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße hätten laut den Richtern zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar seien. Für den Zeitraum bis spätestens 30. Juni 2016 besteht ein Übergangskorridor, in dem die bisherige begünstigte Übertragung von Firmenvermögen möglich ist. Eine rückwirkende Neuregelung ist nicht vorgesehen. Dabei ist von einer überhasteten Unternehmensübertragung aufgrund der reinen Steuerfrage in aller Deutlichkeit abzuraten: Die Entscheidung muss sehr gut durchdacht und viel mehr Regelungen einbeziehen als die rein fiskalische; denn die Steuer ist nur ein kleiner Teil der Gesamtkomposition „Firmenübertragung“ und sollte den Prozess weder initialisieren noch antreiben.
Wie sieht nun die Zukunft in der Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzgebung aus? Der Regierungsentwurf könnte bei einer Zustimmung des Bundestags und des Bundesrats noch dieses Jahr in Kraft treten, wodurch auch das Zeitfenster für die Übergaben nach bisheriger Regelung verkürzt wäre. Das neue Gesetz bringt eine erhebliche Anzahl von Veränderungen für Unternehmer und Unternehmen mit sich, die es zu beachten gilt und die, je nach Szenario, zu völlig neuen perspektivischen Gestaltungsmodellen bei der Planung der Vermögensübertragung führen können.
Bislang konnten Kleinunternehmen in vielen Fällen auch ohne Einhaltung der Lohnsummenregelung steuerbegünstigt übertragen. Das gilt ab jetzt nur noch für Unternehmen mit bis zu drei Mitarbeitern, für größere Betriebe mit bis zu 15 Mitarbeitern soll es unter bestimmten Bedingungen ebenfalls Vergünstigungen geben. Für diese wird die grundsätzlich einzuhaltende Mindestlohnsumme von bislang 400 Prozent abgemildert. Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten müssen 250 Prozent für eine Steuerbegünstigung nachweisen, Betriebe mit zehn bis 15 Mitarbeiter 300 Prozent. Damit will der Gesetzgeber kleinere Unternehmen weiterhin entlasten, schließlich hatte das Verfassungsgericht betont, dass eine Steuerverschonung nicht grundsätzlich verfassungswidrig sei.
Nicht zu berücksichtigen sind dabei übrigens nach der neuen Regelung die Vergütungen an Beschäftigte, die Mutterschaftsgeld, Krankengeld oder Elterngeld erhalten, und an Auszubildende, die auch bei Ermittlung der Arbeitnehmergrenzen für die Anwendung der Lohnsummenregelung nicht zählen. Größere Unternehmen werden nach dem neuen Entwurf grundsätzlich von den bisherigen Begünstigungen für Betriebsvermögen ausgeschlossen. Die Größengrenze wurde dabei im Koalitionskompromiss bei 26 Millionen Euro festgelegt; diese Summe bezieht sich auf den Wert pro Übertragung, ob einmalig oder gestückelt. Beachtenswert ist indes, was diese Grenzsumme tatsächlich bedeutet. Der Freibetrag von 26 Millionen Euro wird ausgehend von den aktuellen steuerlichen Bewertungsverfahren von einem Unternehmen mit gut 1,4 Millionen Euro Jahresertrag aufgezehrt.
Aus diesem Grund hatten Wirtschaftsverbände eine Grenze von mindestens 100 Millionen Euro gefordert, um der tatsächlichen Konsequenz dieser Freigrenze für eine Vielzahl von Unternehmen gerecht zu werden. Anders gestellt werden Familienunternehmen mit Kapitalbindung. Deren Freigrenze wird bei 52 Millionen Euro gezogen, wobei aber diese Kapitalbindung im Sinne der Ausschüttungs-/Entnahme-, Verfügungs- und Abfindungsbeschränkungen und -regelungen mit Anforderungen belegt ist. Um in den Genuss der Regelungen zu kommen, muss die Kapitalbindung über einen Zeitraum von 40 Jahren (zehn Jahre vor und 30 Jahre nach der Übertragung) eingehalten und nachgewiesen werden.
Für große Unternehmen gibt es eine dem bisherigen Status vergleichbare Begünstigung nur noch dann, wenn der Erwerber dem Finanzamt nachweist, dass er nicht in der Lage ist, die Erbschaftsteuer auf den Betrieb aus „verfügbarem” Vermögen zu bezahlen. Das Stichwort hierbei ist die „Verschonungsbedarfsprüfung“ oder kurz: Bedarfsprüfung. Diese soll klären, ob der Erwerber des Vermögens, das heißt insbesondere der Erbe oder der Beschenkte, „bedürftig “ ist, also ob er die reguläre Erbschaftsteuer nicht aus seinem Privatvermögen begleichen kann. In dem Falle soll das Privatvermögen herangezogen werden und das unternehmerische Vermögen kann nicht steuerbegünstigt übertragen werden.
In dem Falle kann das unternehmerische Vermögen nicht wie bisher steuerbegünstigt übertragen werden. 50 Prozent des verfügbaren Vermögens muss für die Steuerzahlung eingesetzt werden.
Gleichzeitig hat der Gesetzgeber eine Regelung für diejenigen eingeführt, die ihr Privatvermögen nicht offen legen beziehungsweise nicht für die Begleichung der Steuerschuld herangezogen sehen wollen. Erwerber von Betriebsvermögen sollen die Wahl bekommen, ob sie an der Stelle einer individuellen Bedarfsprüfung und der damit erforderlichen Offenlegung der privaten Vermögensverhältnisse einen größenabhängigen Verschonungsabschlag in Anspruch nehmen. Dabei verringert sich der Verschonungsabschlag bis einer bestimmten Grenze mit steigendem Wert des übertragenen Vermögens (nach der Formel: ein Prozentpunkt weniger pro 1,5 Millionen Euro übersteigender Unternehmenswert).
Ab einem Unternehmenswert von 116 Millionen Euro wird der Verschonungsabschlag auf pauschal 20 Prozent beziehungsweise 35 Prozent begrenzt. Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung soll das Abschmelzen bei 52 Millionen Euro beginnen und bei einem Wert ab 142 Millionen Euro enden. Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, dass das begünstigte vom nicht begünstigen Betriebsvermögen nach der Funktion des Vermögens für das Unternehmen abgegrenzt wird. Vermögensgegenstände, die zur Ausübung einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit genutzt werden, sind steuerbegünstigt.
Der bisherige komplexe Regel-Ausnahmemechanismus zur Abgrenzung des „guten“ Betriebsvermögens und des „schlechten“ Verwaltungsvermögens soll damit entfallen. Die Vermögensverwaltung ist nicht begünstigt. Das sind die Eckpunkte des Regierungsentwurfs, wobei so manche Punkte sicherlich über die kommenden Jahre hinweg weitere Fragen aufwerfen und dementsprechend die Gerichte beschäftigen werden. Sicher, die neuen Regelungen stellen eine zum Teil erhebliche Verschärfung gegenüber der bisherigen ErbStG dar; aber auch sie verhindern keine unternehmerische Vermögensübertragung. In einem transgenerationalen Konzept, das auf Erhaltung und Bewahrung, auf strategische Vermögenssteuerung und die Verantwortung für das Erarbeitete und Ererbte ausgerichtet ist, ist die erbschaft- oder schenkungsteuerliche Gestaltung zwar ein bedeutender Punkt, aber nicht der eigentliche beziehungsweise wesentliche.
Was will ich wirklich? Das ist die existenzielle Frage bei jeder langfristig angelegten strategischen Planung und Gestaltung. Will ich eine echte Lösung, um ein Unternehmen zu erhalten und im Ganzen in die nächsten Generationen zu führen oder will ich Steuern sparen? Bei den allermeisten Unternehmern spielt der erste Teil der Frage die entscheidende Rolle, um Traditionen zu bewahren, Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft zu erhalten und die Kinder und Kindeskinder an der familiären Ertragsquelle teilhaben lassen zu können. Wer so denkt, findet in der (unternehmensverbundenen) Familienstiftung eine Option zu allen herkömmlichen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Und das auch steuerlich.
Bei der Errichtung, also der Übertragung des Betriebsvermögens auf die Stiftung, wird zwar grundsätzlich Schenkung- beziehungsweise Erbschaftsteuer fällig, und zwar nach der jeweils gültigen steuerrechtlichen Gesetzgebung. Jedoch lässt sich die Steuer bei der weiteren Vermögensübertragung an die nächste Generation anders steuern. Die deutsche Familienstiftung unterliegt alle 30 Jahre der Erbersatzsteuer, mit der eine fiktive Vermögensübertragung auf zwei Erben steuerlich dargestellt und berechnet wird. Das hat im Vergleich zur herkömmlichen Besteuerung wesentliche Vorteile für den strategisch denkenden Unternehmer. Zum einen lässt sich die Zahlung der Erbersatzsteuer über 30 Jahre strecken und damit aus dem Cash Flow heraus planen. Zum anderen aber – und das ist das wirklich Wesentliche – besteht nicht die Gefahr einer „Erbschaftsteuer-Bombe“ im plötzlichen Erbfall durch Unfall oder Krankheit. Betriebs- und Privatvermögen werden auf diese Weise gesichert und strategisch geführt. Eine zusätzliche kraftvolle Option gewinnt derjenige, der die Auslandsstiftung in seine Überlegungen einbezieht.
Der andere Punkt ist die bewahrende Funktion der Stiftung. Sie verselbstständigt das Vermögen einer Familie und sorgt für die Erhaltung über die Jahre und Jahrzehnte hinweg. Das Unternehmen „funktioniert“ innerhalb der Stiftung, im Gegensatz zu typischen Konstruktionen wie der GmbH hängt die Stiftung nicht von einer Person oder einem Personenkreis ab; sie gehört nur sich selbst, weshalb auch Krankheit oder Tod des Stifter-Unternehmers zumindest gesellschaftsrechtlich nicht zu Verwerfungen führen und das Unternehmen aufgrund der neuen Eigentümerstruktur weiterhin als Ertragsquelle dient. Diese Funktionsweise führt auch dazu, dass keine Anteile an einem Unternehmen, die einmal in das Stiftungsvermögen übergegangen sind, veräußert werden können.
Die Stiftung hält das Familienvermögen zusammen. Die Substanz des Unternehmens wird von den – gegebenenfalls sehr unterschiedlichen – privaten Lebensinteressen der potenziellen Erben getrennt. Weder Begehrlichkeiten durch Investoren noch Streitigkeiten in der Erbengeneration können dem eingebrachten Unternehmen etwas anhaben. Werte, Philosophie, persönliche Vorstellungen des Stifter-Unternehmers bleiben durch die individuelle Stiftungs-Satzung erhalten; darin kann alles niedergelegt werden, was dem bisherigen Eigentümer wirklich wichtig ist. Er kann so auch seine Nachfolge regeln, selbst wenn diese operativ aus einem Fremdmanagement besteht: Die Stiftung führt in seinem Sinne das Unternehmen über die Generationen hinweg fort.
Diese gestalterische und bewahrende Funktion der Familienstiftung bleibt auch vor dem Hintergrund der neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzgebung erhalten. Sie fördert die Zukunft eines unternehmerischen Familienvermögens und schwächt die Auswirkungen der jetzigen und möglichen späteren gesetzgeberischen Veränderungen auf dieses Vermögen ab. Sie ist damit eine bedenkenswerte strategische Alternative in der unternehmerischen und familiären Gesamtkomposition. Nachdenken hilft auch hier.