Vermögensübertragung nicht nur aus steuerlicher Sicht betrachten

VON THORSTEN KLINKNER

Die geplante Bedürfnisprüfung ab 20 Millionen Euro bei der Neuregelung der Erbschaftsteuer macht Verbänden und Unternehmern zu schaffen. Kein Eigentümer sollte aber aus rein fiskalischen Erwägungen heraus sein Unternehmen vorschnell übertragen. Denn es gibt Alternativen.


Steuererhöhungen? Der Abbau der kalten Progression? „Mehr Netto vom Brutto?“ Alles nicht: Die typischen steuerpolitischen Themen spielen in der aktuellen Diskussion kaum eine Rolle, beherrschend ist mehr oder weniger einzig und allein die Erbschaftsteuer – und an dieser Diskussion scheiden sich seit dem 17. Dezember 2014, dem Tag des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, die Geister.

 

Während Unternehmen, Verbände und einige bürgerliche Politiker auf die Fortführung grundsätzlicher Steuervorteile bei der Übergabe von Betriebsvermögen pochen, scheint der Gesetzgeber einen anderen Weg anzustreben. Und dieser könnte dazu führen, dass die Besteuerung der Firmenübergabe zur Regel wird und nicht die Ausnahme bleibt.


Ein wichtiger Aspekt der Debatte, der sich aber in der Öffentlichkeit bislang nicht durchgesetzt hat, ist die sogenannte Bedürfnisprüfung. Das Bundesverfassungsgericht hat für die weitere Genehmigung zur Steuererleichterung eine Prüfung verlangt, ob bei (großen) Unternehmen „ein Bedürfnis nach Verschonung des Betriebsvermögens von der Erbschaftsteuer besteht“. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Unternehmen per se bei der Vermögensübertragung steuerlich begünstigt werden, auch wenn die private Vermögensituation des Erwerbers das scheinbar nicht erfordert. Bisher musste für eine teilweise beziehungsweise vollständige Steuerfreiheit über fünf beziehungsweise sieben Jahre die Lohnsumme auf dem Stand bei Übernahme gesichert sein; und Unternehmen bis 20 Mitarbeiter mussten nicht einmal dies regelmäßig vorweisen.


Nun ist eine Freigrenze im Gespräch, ab der eine Bedürfnisprüfung verpflichtend werden soll. Diese Grenze soll nach dem Willen des Bundesfinanzministeriums bei 20 Millionen Euro gezogen werden. Unternehmen, die diesen Wert unterschreiten, sollen – soweit bekannt – weiterhin von der Erbschaftsteuer ausgenommen bleiben. Für alle anderen gilt erst einmal eine Steuerpflicht. Doch 20 Millionen Euro, ist das nicht unglaublich viel? Nein, ist es nicht, schaut man sich das erbschaftsteuerliche Bewertungsverfahren an, wie es die Stiftung Familienunternehmen getan hat.

 

Deren Aussagen zufolge liegt nach dem Bewertungsverfahren der Wert eines Familienunternehmens bereits bei einem Jahresgewinn von 1,1 Millionen Euro bei 20 Millionen Euro, sodass auch große Handwerksbetriebe unter die Bedürfnisprüfung fallen würden.
Die Stiftung Familienunternehmen hat in diesem Zuge das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln beauftragt, für die volkswirtschaftliche Bedeutung der betroffenen Familienunternehmen eine erste Berechnung vorzunehmen. Nach diesen Ergebnissen wäre die Verschonung des Betriebsvermögens von der Erbschaftsteuer für rund 13.600 größere Familienunternehmen, welche jeweils einen Wert von 20 Millionen Euro und mehr haben, infrage gestellt.

 

Diese Gruppe der Familienunternehmen steht nach der datenbankgestützten Schätzung des IW Köln für 37,9 Prozent der Beschäftigten in deutschen Familienunternehmen und 58,7 Prozent ihrer Umsätze. Das entspricht 7,6 Millionen Arbeitnehmern und einer Umsatzsumme von 1,6 Billionen Euro. „In all diesen Fällen besteht die Gefahr, dass Betriebsvermögen nicht mehr verschont wird, obwohl die grundsätzlich von der Erbschaftsteuer vorgegebenen Verschonungsanforderungen erfüllt sind. Dies gefährdet Investitionen, Arbeitsplätze und vor allem die erfolgreiche deutsche Familienunternehmenslandschaft“, erklärt dazu Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen.


Was heißt das jetzt für Familienunternehmen, sowohl kleinere als auch größere? Wohl zuerst einmal, dass sie spätestens ab dem 1. Juli 2016 (bis dahin muss eine spätestens neue Regelung in Kraft getreten sein) nicht mehr mit einer generellen Verschonung rechnen dürfen. Es heißt aber auch: keine Panik! Es besteht kein Grund, jetzt panikartig das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. Denn eine grundsätzliche Steuerpflicht bei der Vermögensübertragung sollte keine Motivation sein, die eigene Unternehmensstrategie „abzukürzen“ und nur noch aus fiskalischer Sicht zu planen. Eine Firmenübergabe ist ein sehr wichtiges, einschneidendes Ereignis, ein persönlicher, familiärer und unternehmerischer Wendepunkt und kann die kommende Jahre und Jahrzehnte eines Unternehmens natürlich sehr stark bestimmen.

 

Deshalb sollten die Überlegungen einer strukturierten Unternehmensübergabe, die auf Langfristigkeit und den transgenerationalen Erhalt eines Unternehmens ausgerichtet ist, grundsätzlich nicht von der steuerlichen Situation abhängen. Die Frage sollte zumindest denkbar sein: Welche Rolle spielt eine mögliche erbschaftsteuerliche Belastung in der strategischen Planung, um das Unternehmen langfristig für die Zukunft gut und sicher aufzustellen?


Eine Option, die nicht von herkömmlichen gesellschafts- und steuerrechtlichen Voraussetzungen abhängt, ist beispielsweise die Familienstiftung. In ihr kann auch Betriebsvermögen verselbstständigt werden, sodass dieses Vermögen – also beispielsweise Gesellschaftsanteile, Immobilien oder Maschinen – für immer geschützt ist und nicht zersplittert werden kann. Bei der Errichtung der Stiftung wird grundsätzlich einmalig Schenkung- oder Erbschaftsteuer fällig, eben wie bei jeder unternehmerischen Vermögensübertragung. Hier sind Gestaltungen gefragt und möglich, um die Steuerbelastung so weit wie möglich zu reduzieren oder gegebenenfalls ganz auszuschließen.


Im weiteren Bestehen wirkt die Familienstiftung insbesondere positiv für den Vermögenserhalt und die stetige zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Substanz. Denn wird beispielsweise bei einer – vermögensverwaltenden – GmbH jede Übertragung besteuert (Unfall, Krankheit oder Tod können das jederzeit notwendig machen), ist das bei einer Familienstiftung nicht der Fall – schließlich „gehört“ das Vermögen immer der Stiftung und wird somit nicht als Verfügungsmasse von Generation zu Generation weitergereicht.


Das entscheidende Stichwort hinsichtlich der langfristigen Steuerplanung ist die Erbersatzsteuer. Durch diese werden die monetären Anforderungen an die Übertragung auf die nächste Generation in einer Stiftung planbar. Die Erbersatzsteuer wird alle 30 Jahre fällig, bei der Festsetzung greifen die steuerlichen Freibeträge für zwei anzunehmende Kinder, also jeweils 400.000 Euro. Zudem gelten die aktuell diskutieren Begünstigungen für Betriebsvermögen und unternehmerische Beteiligungen auch in diesem Kontext. Steuerschuldner ist die Familienstiftung. Dabei können Stiftungen den Zahlungsmodus frei wählen. Entweder sie zahlen den fälligen Betrag auf einmal, oder aber sie teilen ihn auf 30 gleiche Jahresbeiträge auf; dann ist der Steuerbetrag mit 5,5 Prozent per anno zu verzinsen. Wer die Erbersatzsteuer völlig ausschließen möchte, kann auch mit guten Gründen über eine Auslandstiftung nachdenken. In der langfristigen Betrachtung können die Effekte für den Vermögensbestand erheblich sein.


Was ist dabei das Wesentliche? Im Unterschied zum Damokles-Schwert „Erbfall im Privatvermögen“ ist die Erbersatzsteuer zeitlich und betriebswirtschaftlich planbar. Insbesondere bei Sachwerten, zum Beispiel Immobilien, kann der sofortige Liquiditätsentzug im Erbfall die Vermögenssubstanz erheblich gefährden und im schlimmsten Fall zu einer Veräußerung der Ertragsquellen zwingen. Die Erbersatzsteuer wandelt dieses Risiko in eine planbare Größe um. Wirtschaftlich handelt es sich um eine künftige Steuerbelastung, die im Regelfall aus den laufenden Erträgen finanziert werden kann. Alternativ werden vorausschauend Rückstellungen gebildet. Zudem lässt sich die gesamte Klaviatur der Vermögensumschichtung innerhalb der Stiftung nutzen.