Substanzielle Vermögensabflüsse vermeiden – Aufgebautes bewahren und entwickeln

VON THORSTEN KLINKNER

Die Neuregelung der Erbschaftsteuer bei Betriebsvermögen bringt immer wieder neue Diskussionen auf. Aktuell sieht es so aus, als würde die Freigrenze verhältnismäßig niedrig angesetzt und als würde Privatvermögen in die Betrachtung einbezogen werden. Ein sehr guter Anlass für Unternehmer, langfristige Optionen zum Vermögensschutz zu entwickeln.


Als das Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember vergangenes Jahr erklärte, die Erbschaftsteuer sei in Teilen nicht verfassungskonform, weil sie aufgrund der Bevorzugung bei der Weitergabe von Betriebsvermögen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, schien der Stichtag zur Neuregelung weit entfernt. Immerhin hatten die Karlsruher Richter einen Übergangskorridor bis 30. Juni 2016 eingerichtet, in dem die alten Regelungen noch gültig sind. Bis dahin ist der Gesetzgeber spätestens aufgerufen, eine verfassungskonforme Besteuerung von Betriebsvermögen im Schenkungs- oder Erbschaftsteuerfall herzustellen.

Nun ist dies fünf Monate her, von den zuvor mehr als anderthalb Jahren ist etwas mehr als eines geblieben. Etwas mehr als ein Jahr, sich auf die neue Welt in der Gesetzgebung vorzubereiten und entweder die lang geplante Übergabe umzusetzen, eine vorzeitige Erbfolge einzuleiten – oder gemeinsam mit dem Berater eine echte Strategie für die Zeit nach dem 30. Juni 2016 zu entwickeln. Eine Strategie, um das Vermögen abzusichern und eine Erbschaftsteuer nicht zum Stolperstein bei der späteren familieninternen Nachfolge werden zu lassen.

Richter und vor allem bürgerliche Politiker hatten gleich nach dem Urteil betont, gegen die Privilegierung von Betriebsvermögen sei, besonders in Familienunternehmen und angesichts der dortigen Arbeitsplätze, grundsätzlich nichts einzuwenden. Das hatte Hoffnungen geweckt, alles könnte im Großen und Ganzen beim Alten bleiben. Schnell hat sich dieser Wind aber gedreht – spätestens als der Bundesfinanzminister verkündete, die Obergrenze pro begünstigten Vermögenserwerb vergleichsweise niedrig anzusetzen, nämlich bei 20 Millionen Euro. Ein Unternehmenswert, der mit den steuerlichen Bewertungsverfahren und den dabei anzusetzenden Faktoren auf den durchschnittlichen Jahresertrag häufiger erreicht wird, als der Unternehmer selbst vermutet. Hier lauern Überraschungen.

Für viele ertragsstarke Unternehmen würde das heißen, keinesfalls eines steuerbegünstigte Übergabe „auf einen Schlag“ realisieren zu können, da der deutsche Mittelstand im Schnitt wesentlich höher bewertet ist als mit den diskutierten
20 Millionen. Gegen diese Obergrenze hatte sich Widerstand geregt, unter anderem im Wirtschaftsverband der Familienunternehmer; deren Präsident Lutz Goebel hält die vom hessischen Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) vorgeschlagene Grenze von 100 Millionen Euro pro Erwerb für einen „vertretbaren Plan B“.

Nun hat das Bundesfinanzministerium in einem sogenannten „Eckpunkte“-Papier ebenfalls die Obergrenze von 20 Millionen vorgebracht und entsprechend kommentiert. Es solle bei Überschreitung der Freigrenze zu einer individuellen Bedürfnisprüfung kommen; zumutbar sei laut dem Papier, dass der Erwerber des Betriebsvermögens 50 Prozent seines verfügbaren Vermögens (beispielsweise im Zuge der Unternehmensübergabe durch Erbschaft erworbenes Privatvermögen) zur Begleichung der Steuerschuld einsetzt. Das heißt konkret: Wird dieses Vorhaben umgesetzt, wird bei größeren Vermögensübergängen Privatvermögen herangezogen, um die Steuerschuld zu begleichen. Eine größere Firmenerbschaft kann also zu einem substanziellen Abfluss aus dem Privatvermögen führen.

Vor diesem Hintergrund sollte es nicht darum gehen, Betriebsvermögen schnellstmöglich zu übertragen. Sondern darum, eine strategische Option zu entwickeln, um sich für den Tag X rundum abzusichern. Wichtig ist, dass Unternehmen und Privatvermögen durch stabile Instrumente geschützt werden und der beispielsweise plötzliche Erbfall aufgrund von Krankheit oder Unfall für die Vermögensnachfolger neben der emotionalen Problematik nicht auch noch schwerwiegende finanzielle Verwerfungen mit sich führt.

Eine strategische Option, diese Verwerfungen zu verhindern, ist die Familienstiftung. Dieses Instrument dient dem umfassenden Vermögensschutz, denn Vermögen wird innerhalb der Stiftung rechtlich verselbständigt. Die Besteuerung der Vermögensnachfolge wird auf diese Weise zeitlich und betriebswirtschaftlich plan- und kalkulierbar. Bei einer (vorweggenommenen) Erbfolge im Privatvermögen setzt der Unternehmer den oder die Nachfolger mit der vollständigen Verfügungsgewalt über das Vermögen ein; bei einer Stiftung ist dies nicht der Fall. Die Stiftung verfügt über das Vermögen, über die Generationen hinweg werden keine Anteile oder ähnliches weitergeben – schlicht nichts, das steuerliche Auswirkungen hätte, da keine Eigentums- und Verfügungsrechte entstehen. Damit werden Nachfolger in einer Stiftungsregelung nicht herkömmlich mit der Erbschaftsteuer belastet, denn nicht das Vermögen geht auf sie über, sondern „nur“ eine Rolle innerhalb der Familienstiftung.

Damit steht die Familienstiftung als stabiles System an den Schnittstellen persönlicher, familiärer und unternehmerischer Zielsetzungen. Sie gewährleistet einen langfristigen Vermögensschutz und macht Nachfolgeregelungen finanziell planbar. „Steuerbomben“ im plötzlichen Erbfall werden vermieden, Betriebs- und Privatvermögen geschont.