Entscheidungen gemeinsam mit der Familie treffen

VON THORSTEN KLINKNER
Familienunternehmer sollten eine Stiftungs-Strategie zur Unternehmens- und Vermögensnachfolge nicht „top-down“ festlegen, sondern die Familienmitglieder einbinden. Schließlich sind diese davon direkt betroffen, und eine wertschätzende Kommunikation kann spätere Probleme vermeiden.


Ein Familienunternehmer steht im Alltag vor einer doppelten Herausforderung: Er muss sich operativ und administrativ um das Unternehmen, die Mitarbeiter und Partner kümmern und zielführende Strategien für die Zukunft erarbeiten. Gleichzeitig sollte er eine solche Strategie auch im familiären Bereich haben. Denn die Familie ist nicht nur die persönliche Kraftquelle und Rückhalt für den Unternehmer sowie Begünstigte der über das Unternehmen erwirtschafteten Einkünfte, sondern aus der Familie stammt traditionell auch der Nachfolger an der Unternehmensspitze, und die Familie steht gleichzeitig in den allermeisten Fällen an der ersten Stelle beim allgemeinen Vermögensübergang.

Wichtig bei einer solchen Vermögensübertragung, zu der ja auch die Nachfolge in der Führung gehört beziehungsweise gehören kann, ist, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Fühlen sich einzelne Mitglieder der Familie ungerecht behandelt, kann das zu Streit führen, der den internen Frieden und damit letztlich auch den Bestand des Vermögens gefährden kann. Denn im schlimmsten Fall ist sich die Nachfolgegeneration auf allen Ebenen - sowohl privat als auch geschäftlich - uneinig, Neid und Missgunst überwiegen das „Commitment“ zur Familie und fürs Unternehmen, und dieses Familienunternehmen wird zum Schlachtfeld sich feindlich gegenüberstehender Familienzweige.

Peter May, führender Experte für Familienunternehmen, hat in seinem Buch Erfolgsmodell Familienunternehmen ein solches Szenario eindringlich anhand eines fiktiven Lebensmittelunternehmens entworfen: Ein Gründer mit einer erfolgreichen Idee; seine Söhne, die einander zwar zugetan sind, aber keine echte, gemeinsame und konsistente Nachfolgestrategie besitzen; und schließlich eine dritte Generation, die das Unternehmen in einen "Jahrmarkt der Eitelkeiten" verwandelt und trotz dreistelligen Millionenumsatzes und einer Marktführerschaft in seinem Segment schlussendlich in die Liquidation treibt.

Peter May beschreibt die Situation, in der sich das Unternehmen nach dem Ausscheiden der ersten Erbengeneration befindet, folgendermaßen:  „Damit sind wir bei der dritten Generation angelangt. Das Unternehmen hat wiederum zwei Geschäftsführer, nun aber schon sieben Gesellschafter, von denen nur noch einer im Unternehmen tätig ist. Von den sechs nichttätigen Töchtern sind vier verheiratet, und zwar überwiegend mit Lehrern, Künstlern und anderen aus Unternehmersicht ‚problematischen’ Menschen. […] Das Unternehmen hat kaum noch neue Produkte; seit Jahren ist es nicht mehr in neue Märkte eingestiegen. Überall wird optimiert, reorganisiert und restrukturiert, ein gibt Handbücher, Stellenbeschreibungen, Arbeitsanweisungen, ein umfangreiches Reporting und ein noch umfangreicheres Planungsinstrumentarium Es gibt viel Papier, noch mehr Komitees und Ausschüsse, jede Menge Strategien, aber wenig Umsetzung, ein ausgeprägtes Kästchendenken und bald Machtkämpfe auf allen Ebenen.“ (S. 170f.)

Doch welche Möglichkeiten hat ein Familienunternehmer und Vater oder Mutter, um eine solche Situation zu vermeiden? Wie können die Kinder zudem „gleich“ behandelt werden? Eine privatnützige Stiftung ist eine Option, die sich gesellschaftsrechtlich bietet, um dem Unternehmen über die eigene aktive Zeit hinaus Strategie und Struktur zu geben und existenzgefährdende Maßnahmen und Handlungen zu verhindern. Die Stiftung wird mehrheitlich oder vollständig Eigentümerin des eingebrachten Unternehmens und kontrolliert durch ihre Organe (die vom Stifter ausgewählt werden) die operative und administrative Arbeit. Gleichzeitig werden die Familienmitglieder durch laufende Ausschüttungen finanziell versorgt, aber kein Erbe kann seine Anteile handeln und so für eine Zersplitterung oder, beispielsweise bei einer knappen Mehrheit in einer Aktiengesellschaft, für einen neuen Mehrheitseigner sorgen. Die Stiftung und die darin eingebrachten Werte gehören nur sich selbst, es gibt keine vermögenswerten Beteiligungsrechte daran.

Das ist sehr hilfreich und attraktiv für einen Familienunternehmer und erleichtert die Vermögens- und Unternehmensnachfolge. Aber auch eine solche Stiftungs-Strategie sollte nicht "top-down" vom Unternehmer und Nachfolger entschieden und kommuniziert werden. Vielmehr sollte er, um die auch emotionalen Möglichkeiten der Stiftung optimal auszuschöpfen, alle Familienmitglieder in diesen strategischen Gestaltungsprozess einbeziehen.

Christoph Mutter hat dafür in seinem profunden Werk Vermögensmanagement für Familienunternehmer den Begriff des Familienvertrages eingeführt. In ihm finden sich, gleichsam einer ‚moralischen Satzung’, Werte, Ziele, Strukturen und Institutionen der Familie wieder, sodass über die Generationen hinweg das Fundament des Selbstverständnisses einer Familie schriftlich gewahrt bleibt und auf ewig als Leitfaden für alle Nachfahren dienen kann. Gleichzeitig regelt der Familienvertrag grundsätzlich die Verhältnisse von Familie und Familienvermögen, um dieses zu erhalten, die Interessen zu bündeln den Kreis der am Vermögen beteiligten Personen zu beschränken. Der Familienvertrag ist zwar mehr moralischer als rechtlicher Natur, denn die Festlegung gemeinsamer Werte und Ziele beinhaltet keinen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch. Aber durch den Akt des Abschlusses eines Familienvertrages tritt die Verpflichtung aller Familienmitglieder, die gemeinsamen Werte und Ziele zu unterstützen und der psychologische Effekt der Statuierung der gemeinsamen Ziele ist nicht zu unterschätzen, wie Christoph Mutter treffend hervorhebt (S. 36). Ein solcher Familienvertrag lässt sich dann mit der Satzung der Stiftung eng verzahnen.

Setzen Unternehmer bei ihrer Stiftungs-Strategie auf das Mittun ihrer Familie, können sie mögliche Probleme innerhalb der folgenden Generationen verhindern, denn sie formulieren gemeinsam mit den Menschen, die ihnen am nächsten sind, Ziele für eine echte Familien-Zukunft.