Eine Familienstiftung in Liechtenstein erfreut sich insbesondere seit der grundlegenden Reform des liechtensteinischen Stiftungsrechts im Jahr 2009 zunehmender Beliebtheit. Das Stiftungsrecht in Liechtenstein gilt zu Recht als eines der modernsten weltweit. Gestaltungsmöglichkeiten, Flexibilität und steuerliche Rahmenbedingungen einer Familienstiftung in Liechtenstein tragen dazu bei, dass sie auch von deutschen Unternehmern und von Privatpersonen mit unternehmerischem Hintergrund geschätzt und in der generationenübergreifenden Strukturierung des Vermögens eingesetzt wird. Ziel ist in der Regel der langfristige Vermögensschutz.
Familienstiftungen sind rechtlich verselbständigte Zweckvermögen. Sie sind unabhängig vom Privatvermögen des Stifters und hiervon rechtlich strikt zu trennen. Gerade aus dieser Trennung folgt der Vermögensschutz.
Zudem entfalten Familienstiftungen in Deutschland auch eine steuerliche Abschirmwirkung gegenüber dem Privatvermögen. Sie werden gesondert und als eigenständiges Steuersubjekt besteuert.
Die Abschirmwirkung der Familienstiftung hat der deutsche Gesetzgeber ausländischen Familienstiftungen lange Zeit generell verweigert. Nach der Definition des § 15 Abs. 2 Außensteuergesetz (AStG) wird in diesem Zusammenhang eine Familienstiftung angenommen, wenn der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG werden Vermögen und Einkünfte einer Familienstiftung dem Stifter sowie den Begünstigten und Anfallsberechtigten dieser Stiftung zugerechnet, wenn die Stiftung ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz im Ausland hat und der Stifter, die Begünstigten oder die Anfallsberechtigten in der Bundesrepublik unbeschränkt steuerpflichtig sind.
Eine natürliche Person ist in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt hat. Juristische Personen sind gemäß § 1 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Bundesrepublik unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie hier ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben.
Unbeschränkt Steuerpflichtige müssen in Deutschland ihre gesamten weltweiten Einkünfte versteuern. Durch die beschriebene Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG hat es der deutsche Gesetzgeber erreicht, dass Einkünfte von liechtensteinischen Familienstiftungen von deren deutschen Stiftern, Begünstigten und Anfallsberechtigten in der Bundesrepublik versteuert werden müssen – sofern die Voraussetzungen der Abschirmwirkung von Familienstiftungen nach § 15 Abs. 6 AStG nicht erfüllt werden.
Die generelle Verweigerung der steuerlichen Abschirmwirkung für ausländische Familienstiftungen durch § 15 AStG war von Anfang an heftig umstritten. Die Kritiker warfen dem Gesetzgeber vor, dieser verstoße gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit der Europäischen Union, indem er Familienstiftungen mit Sitz in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die Abschirmwirkung versagt. Auch die Europäische Kommission teilte diese Kritik und eröffnete im Jahr 2003 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Hierauf hat der deutsche Gesetzgeber reagiert und im Dezember 2008 mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 in § 15 AStG einen neuen Absatz 6 eingefügt, der in bestimmten Fällen für EU/EWR-Familienstiftungen, und damit auch für Familienstiftungen in Liechtenstein, eine steuerliche Abschirmwirkung ermöglicht.
Voraussetzungen der Abschirmwirkung für Familienstiftungen in Liechtenstein
Eine Familienstiftung in Liechtenstein wird nur dann in der Bundesrepublik eine Abschirmwirkung entfalten, wenn sie sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsführung in Liechtenstein hat und darüber hinaus alle Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 AStG kumulativ erfüllt werden.
Sitz und Geschäftsführung der Familienstiftung nur in Liechtenstein
Wird eine Familienstiftung zwar in Liechtenstein errichtet, hat ein Mitglied des Stiftungsrats seinen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt jedoch in Deutschland, hat die betreffende Familienstiftung ihre Geschäftsführung im Inland und ist bereits aus diesem Grund nach § 1 Abs. 1 KStG in Deutschland und nach dem liechtensteinischen Steuerrecht auch in Liechtenstein – und damit in den beiden Ländern – unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
Damit wären auch die Vorteile der liechtensteinischen Familienstiftung – etwa die fehlende Erbschaftsteuerpflicht und eine günstige Ertragsbesteuerung in Liechtenstein – zunichtegemacht. Es ist deshalb zwingend erforderlich, dass die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter, die Begünstigten, die Anfallsberechtigten und die vom Stifter abhängigen Personen dem Stiftungsrat einer Familienstiftung in Liechtenstein nicht angehören dürfen, wenn die Familienstiftung in Deutschland eine steuerliche Abschirmwirkung entfalten soll.
Freie Verfügungsmöglichkeit der Familienstiftung über das Stiftungsvermögen
Gemäß § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG muss ferner das Vermögen der Familienstiftung der Verfügungsmacht des Stifters, der Begünstigten und der Anfallsberechtigten sowie einem weiten Personenkreis von Personen und Gesellschaften im Sinne § 15 Abs. 3 AStG rechtlich und tatsächlich entzogen sein. Nach der Auffassung der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung ist es hierzu zwingend erforderlich, dass die Familienstiftung stets die Möglichkeit haben muss, über das Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich frei verfügen zu können. Mit dieser freien Verfügungsmöglichkeit ist es nicht vereinbar, wenn der Stifter, die Begünstigten, die Anfallsberechtigten oder die vom Stifter abhängigen Personen im Stiftungsvorstand oder in anderen Organen der Stiftung, z. B. im Aufsichtsrat der Stiftung, ihren Willen durchsetzen können. Hieraus folgt, dass diese Personen auch im Stiftungsaufsichtsrat keine Stimmenmehrheit besitzen oder in einer anderen Weise den Stiftungsaufsichtsrat tatsächlich beherrschen dürfen.
Nachweis des Entzugs der Verfügungsmacht nach § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG
§ 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG verlangt einen positiven Nachweis, dass das Vermögen der Familienstiftung der Verfügungsmacht des Stifters und der weiteren Personen im Sinne § 15 Abs. 2 und Abs. 3 AStG rechtlich und tatsächlich entzogen ist. Aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG ergibt sich zwar nicht, wer diesen Nachweis führen muss. Den anderen gesetzlichen Regelungen, die im Zusammenhang mit § 15 AStG stehen, kann aber entnommen werden, dass die Adressaten des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG – das sind der Stifter, die Begünstigen, die Anfallsberechtigten und weitere vom Stifter abhängige Personen und Gesellschaften im Sinne § 15 Abs. 3 AStG – und nicht die Finanzverwaltung diesen Nachweis erbringen müssen.
Nach der Grundsatzregelung des § 88 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Hiervon abweichend bestimmt § 90 Abs. 2 Satz 1 AO für Sachverhalte im Ausland, dass nicht die Finanzbehörde, sondern die Beteiligten diese Sachverhalte zu ermitteln und auch die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen haben. Sie müssen bei einer solchen Sachverhaltsbeschaffung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 AO alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Da nach § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG ein Sachverhalt im Ausland (hier: in Liechtenstein) nachzuweisen ist, ergibt sich aus § 90 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO, dass dieser Nachweis von Adressaten des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG zu erbringen ist.
Die Nachweispflicht des Stifters und anderer Personen im Sinne § 15 Abs. 2 und 3 AStG hat weitreichende Auswirkungen: So müssen der Stifter und die bezeichneten Personen durch eine entsprechende Ausgestaltung der Statuten und der Beistatuten der Familienstiftung dafür sorgen, dass sie von der Stiftung alle Informationen und Nachweise im Sinne § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG erhalten.
Zu bedenken ist hier insbesondere, dass die deutsche Finanzverwaltung vom Stifter oder von anderen Personen im Sinne § 15 Abs. 2, 3 AStG nicht nur die Statuten und ggf. die Beistatuten der Familienstiftung, sondern auch weitere Unterlagen bzw. Nachweise, etwa Gesellschaftsverträge, Gesellschafterlisten, Geschäftsführerbestellungs- und -Arbeitsverträge etc. im Rahmen des Nachweises nach § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG einfordern kann.
Werden diese Nachweise vom Stifter oder von Personen im Sinne § 15 Abs. 2, 3 AStG nicht vorgelegt, kann die Finanzbehörde allein deshalb davon ausgehen, dass der erforderliche Nachweis im Sinne § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG nicht erbracht worden sei.
Auskünfte zwischen Deutschland und Liechtenstein nach § 15 Abs. 6 Nr. 2 AStG
Eine weitere Voraussetzung der Abschirmwirkung einer Familienstiftung in Liechtenstein nach § 15 Abs. 6 Nr. 2 AStG ist das Erteilen von Auskünften zwischen Deutschland und Liechtenstein aufgrund der Amtshilferichtlinie der EU oder einer vergleichbaren zwischenstaatlichen Vereinbarung für Zwecke der Besteuerung. Seit dem Informationsaustauschabkommen zwischen der Bundesrepublik und dem Fürstentum Liechtenstein im Jahr 2010 und erst recht seit dem Inkrafttreten des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Liechtenstein im Jahr 2013 mit der großen Auskunftsklausel unter Art. 26, wird zutreffend überwiegend angenommen, dass die erforderlichen Auskünfte im Sinne § 15 Abs. 6 Nr. 2 AStG zwischen Deutschland und Liechtenstein erteilt werden.
Fazit:
Durch die Errichtung einer Familienstiftung in Liechtenstein kann der Stifter vielfältige Ziele erreichen. Soll die Familienstiftung in Deutschland auch steuerlich die gewünschte Wirkung zeigen, muss der Stifter streng darauf achten, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 AStG erfüllt und gegenüber der deutschen Finanzverwaltung jederzeit nachgewiesen werden können. Dies macht eine umsichtige und sorgfältige Gestaltung auf den Ebenen der Familienstiftung und des darunter liegenden Stiftungsvermögens zwingend erforderlich.