· 

Zuwendung eines Wirtschaftsguts als eine Kettenschenkung

Kettenschenkung oder die unmittelbare Schenkung auf einen Dritten.

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1

1. Wird ein Gegenstand in der Weise verschenkt, dass der erste Empfänger ihn unmittelbar darauf an einen Dritten weiterreicht, ist im Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt.

2. Anderenfalls ist im Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger bzw. Dritter zu prüfen, ob dem ersten Empfänger eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verbleibt. Fehlt es daran, liegt steuerrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vor.

3. Werden die beiden Verträge in einer Urkunde zusammengefasst oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen, muss sich die Dispositionsbefugnis eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben.


BFH, Beschluss vom 28.07.2022 - II B 37/21, NJW 2022, 2784 Vorinstanz: Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 17.12.2020 - 4 K 1417/19, juris

Mit seinem Beschluss vom 28.07.2022 bestätigt der BFH seine Rechtsprechung (siehe BFH vom 18.07.2013 - II R 37/11, BStBl II 2013, 934; BFH vom 18.07.2013 - II R 45/11, BFH/NV 2014, 43;  BFH vom 16.09.2020 - II R 33/19, BFH/NV 2021, 317) zu Schenkungen in Mehrpersonenverhältnissen, wenn ein Wirtschaftsgut zuerst unentgeltlich auf einen ersten Empfänger übertragen und von diesem ebenfalls unentgeltlich an den Dritten weiterübertragen wird. Je nach Sachverhalt wird der Dritte entweder der Zweitbeschenkte bei einer Kettenschenkung mit der Folge von zwei Schenkungen, oder unmittelbar zum Erstbeschenkten, wenn der erste Empfänger zivilrechtlich zur Weiterübertragung des betreffenden Wirtschaftsguts an den Dritten verpflichtet ist, oder wenn dem ersten Empfänger keine Dispositionsbefugnis in Bezug auf das zugewendete Wirtschaftsgut zusteht.


Sachverhalt: Kettenschenkung oder Schenkung in Mehrpersonenverhältnissen

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde greift das Finanzamt das erstinstanzliche Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz an, das unter Berufung auf die BFH-Rechtsprechung zu Kettenschenkungen unter Angehörigen eine Schenkung des Schenkers auf dessen Tochter und eine weitere Schenkung der Tochter auf ihren Ehemann, den Schwiegersohn des Schenkers, angenommen hat. Der Schenker hat hier ein Grundstück unentgeltlich auf seine Tochter übertragen, wobei die Tochter im selben Vertrag den hälftigen Miteigentumsanteil am geschenkten Grundstück auf ihren Ehemann übertragen hat, so dass beide zu je 50% Miteigentümer des geschenkten Grundstücks geworden sind.

Das beklagte Finanzamt hat diesen Sachverhalt als eine unmittelbare Schenkung des 50%igen Eigentumsanteils vom Schenker auf seinen Schwiegersohn behandelt. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat hier konsequent auf die Rechtsprechung des BFH abgestellt, dass eine unmittelbare Schenkung vom ersten Empfänger auf den Zweitbedachten erst angenommen werden kann, wenn dem ersten Empfänger in Bezug auf das zugewendete Wirtschaftsgut keine Dispositionsbefugnis verbleibt. Im zu entscheidenden Fall kam das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zur Überzeugung, dass die Erstbeschenkte in ihrer Dispositionsbefugnis in Bezug auf das Grundstück nicht eingeschränkt war.


Entscheidungen zu Schenkungen in Mehrpersonenverhältnissen

 

 

In seinem Beschluss hat der BFH die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Finanzamts mangels vorliegender Zulassungsgründe als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH hat in dem Beschluss die Voraussetzungen für die Annahme einer direkten Schenkung unmittelbar an den Zweitbegünstigten präzisiert. Danach ist im ersten Schritt zu prüfen, ob im Verhältnis Schenker - erster Empfänger zivilrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt, wenn der erste Empfänger den geschenkten Gegenstand unmittelbar an den Dritten weiterreicht. Liegt zivilrechtlich keine unmittelbare Schenkung an den Dritten vor, ist im zweiten Schritt zu prüfen, ob der erste Empfänger eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand hat. Fehlt eine solche Dispositionsbefugnis, liegt steuerrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vor. Werden beide Vorgänge - die unentgeltliche Übertragung auf den ersten Empfänger und die Weiterreichung des geschenkten Gegenstandes an den Dritten – in einer Urkunde oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden geregelt, muss es eindeutig aus dem Vertrag oder aus den Umständen ergeben, dass der erste Empfänger in Bezug auf den Gegenstand der Schenkung Dispositionsbefugnis hat. 


 

Praxishinweis zu Schenkungen in Mehrpersonenverhältnissen

In seinem Beschluss hat der BFH für seine Rechtsprechung zu Schenkungen in Mehrpersonenverhältnissen für die Rechtspraxis wertvolle Klarstellungen gemacht. Konsequent stellt der BFH auf die im Schenkungssteuerrecht maßgebliche Zivilrechtslage ab: auf die Dispositionsbefugnis des ersten Empfängers einer Schenkung ist erst abzustellen, wenn nach dem Zivilrecht der erste Empfänger Beschenkter ist. Gleichwohl bleiben mit dem BFH-Beschluss, wie auch mit den BFH-Urteilen, auf die der betreffende Beschluss verweist, manche wichtigen Rechtsfragen ungeklärt. Der BFH-Beschluss, wie auch die zitierten BFH-Urteile, behandeln nämlich allesamt Sachverhalte, in denen ein geschenktes Wirtschaftsgut bereits auf den Dritten übertragen worden ist. Unklar bzw. umstritten sind hingegen die schenkungssteuerlichen Folgen, wenn ein geschenktes Wirtschaftsgut noch bei dem ersten Empfänger bleibt und den Dritten noch nicht erreicht hat. Ist das betreffende Wirtschaftsgut nämlich nach der BFH-Rechtsprechung schenkungssteuerlich unmittelbar dem Dritten zuzurechnen, kann eine solche Zurechnung an den Dritten nach § 10 Abs. 1 ErbStG erst erfolgen, wenn der Dritte tatsächlich den Gegenstand empfangen hat oder über diesen zumindest verfügen kann, bis dahin ist der Dritte noch nicht bereichert. Der erste Empfänger des geschenkten Gegenstandes ist nach der BFH-Rechtsprechung ebenfalls nicht bereichert, da die Schenkung dem Zweitbeschenkten zuzurechnen ist. Dem Schenker kann der geschenkte Gegenstand auch nicht schenkungssteuerlich zugerechnet werden, da der Schenker um den Gegenstand der Schenkung bereits tatsächlich entreichert ist. Die Folge ist ein Schwebezustand während des Verbleibs des geschenkten Gegenstands bei dem ersten Empfänger, das auf seine Klärung durch die Rechtsprechung noch wartet.