
Sehr viele Unternehmen stellen sich hinter die Position „Nie wieder ist jetzt!“ und stehen damit für Demokratie, Menschenrechte und Meinungsvielfalt ein. Leider zeichnen die aktuellen geopolitischen Entwicklungen ein komplett anderes Bild als es von den Unternehmen gewünscht und gefordert ist.
Eine große Hoffnung ist zurzeit in den Unternehmen zu sehen – vorausgesetzt, diese nehmen ihre Verantwortung wahr und arbeiten ihre eigene Geschichte auf, insbesondere die Zeit des Nationalsozialismus. Die Unternehmen sollen gleichzeitig auch erkennen, dass sie die Verpflichtung haben, die gewonnenen historischen Erkenntnisse für die Gestaltung der Gegenwart und Zukunft umzusetzen.
Jedem Unternehmer/ jeder Unternehmerin sollte klar sein, dass gerade er/ sie einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung beitragen kann. Dennoch haben geschätzt drei Viertel der deutschen Unternehmen ihre Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus noch nicht direkt aufgearbeitet. Auch wenn es bereits viele bedeutende und wissenschaftlich hervorragend aufgearbeitete Unternehmensgeschichten über diesen Zeitraum gibt (z.B. Deutsche Bank, Daimler, VW, Deutsche Bahn, Quandt, VIAG, Dyckerhoff, DuMont-Schauberg etc.), würden viele Unternehmen auch heute noch am liebsten diese Zeit vergessen und aus ihrer Geschichte verbannen. Während sie aber zunehmend Merkmale und schicksalsträchtige historische Ereignisse aus ihrem Gedächtnis streichen, verstehen sie nicht, dass gerade diese Tabuisierung fatale und irreparable Folgen für die Gestaltung der Zukunft hat.
Was heißt das? Den meisten Unternehmen ist klar, was ein autokratisches System für sie, ihre Mitarbeiter/innen und ihre Kunden bedeuten würde und dass ein System, das antidemokratische und rassistische Einstellungen unterstützt, einen wirtschaftlichen Kollaps zur Folge hätte.
Die „Zukunftschronik“ (laut Pohl und Mitsiadis eine sauber aufgearbeitete Unternehmensgeschichte mit Blick in die Zukunft) liefert zwar keine Patentrezepte, wie die westlichen Demokratien gerettet werden können, aber sie bietet ein wertvolles Instrumentarium, um Beispiele zu erarbeiten, wie die Mechanismen autoritärer Machtsysteme funktionieren und welche Konsequenzen sie haben.
Der Weg in die Zukunft kann nur dann gelingen, wenn die Geschichte richtig aufgearbeitet ist. Dieser Zeitpunkt ist spätestens jetzt.
Die Aufarbeitung und die Kenntnis der eigenen Geschichte, ihre Einordnung in die Allgemeingeschichte und ihre Umsetzung muss – wie Disziplinen in anderen Bereichen auch – ein unverzichtbarer Bestandteil der Strategie eines Unternehmens werden.
Ähnlich wie Unternehmen mit Beginn dieses Jahrhunderts erkannt haben, dass das Umweltbewusstsein (Klimaschutz, Artenschutz, nachhaltiges Wirtschaften etc.) ein zentraler Bestandteil der Strategie des Unternehmens werden muss, so sind die Erkenntnisse aus der Geschichte die neue und zukunftsrelevante Herausforderung, um unser freies, marktwirtschaftlich orientiertes Wirtschaftssystem zu erhalten.
Neben der Aufarbeitung der Gesamtgeschichte eines Unternehmens gibt es drei Bereiche, die in besonderer Weise zeigen, wie autoritäre Regime funktionieren und wie andererseits Unternehmen in einer sozialen Marktwirtschaft erfolgreich arbeiten. Diese sind:
- Unternehmen im Nationalsozialismus (1929 bis 1945)
- Unternehmen in der DDR (1945 bis 1990)
- Unternehmen nach 1945 bzw. nach 1990 (Wiedervereinigung)
Die Aufarbeitung der Geschichte der Unternehmen bezogen auf bestimme Geschichtsperioden sind Lehrbeispiele, die bis heute mit ihren Ergebnissen zum Verständnis bestimmter Strukturen beitragen.
Jedes Unternehmen bedarf eines eigenen Konzeptes, eines individuellen historischen Wertekatalogs, in dem klar und deutlich und vor allem kontinuierlich dargelegt wird, wie dieses in den unterschiedlichen Situationen seiner Geschichte reagiert hat. Das bringt dem Unternehmen zudem zahlreiche neue Erkenntnisse und Vorteile, die es gezielt im Markt einsetzen kann. Die Aufarbeitung und Kenntnis der Unternehmensgeschichte
- schafft Identität, Sicherheit und Stabilität
- bringt Markt- und Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten
- untermauert und festigt die strategischen Überlegungen
- zeigt Alternativen bei der Entscheidungsfindung auf
- fördert die Wahrheitsfindung (Compliance etc.)
- klärt auf und verhindert Fake News
Bei einem komplexen und vielschichtigen Prozess wie Unternehmensnachfolge, gerade bei einem Generationenwechsel, lohnt sich ein Blick in die Unternehmensgeschichte. Eine gut aufgearbeitete Geschichte bietet zum einen die Basis für das Verständnis, woher die Identität, die Werte und die Kultur eines Unternehmens kommen. Zum anderen ist es unabdingbar, einen „sauberen“ Übergang in die nächste Generation zu gewährleisten.
Um das Unternehmen erfolgreich weiterzuführen und dabei Kontinuität mit notwendigen Veränderungen zu verbinden sowie neue Chancen für Innovation und Wachstum zu erkennen, muss man dennoch auch in die Zukunft schauen.
Prof. Dr. Manfred Pohl und Jelena Mitsiadis arbeiten wissenschaftlich, auf Basis von Dokumenten, die entweder aus einem bestehenden Unternehmensarchiv stammen oder eigens für die Chronik recherchiert werden. In Interviews mit Mitarbeitenden, Inhabern, Geschäftsführern und nicht selten mit Nachfolgern, in denen künftige Strategien erörtert werden, entsteht eine klare Verbindung zwischen Geschichte und Zukunft, die in einer Zukunftschronik® mündet. Diese bietet Unternehmen nicht nur die Chance, aus ihrer Vergangenheit zu lernen, sondern zeugt auch von einer klaren Positionierung und schafft Vertrauen gegenüber Mitarbeitenden und Kunden.
Aus den genannten Gründen sollten sich die Unternehmen bereit erklären, die erforderlichen finanziellen Mittel für die Aufarbeitung und Kommunikation ihrer Geschichte zur Verfügung zu stellen.