
Die Übergabe von Verantwortung an die nächste Generation zählt zu den sensibelsten und zugleich entscheidendsten Phasen im Lebenszyklus eines Familienunternehmens. In dieser Übergabe liegt großes Potenzial – aber auch beträchtliches Risiko. Denn oft treffen hohe Erwartungen auf noch wenig gelebte Erfahrung, familiäre Loyalitäten auf unternehmerische Sachlogik. Ein professionell aufgestellter Beirat kann in dieser Übergangszeit eine tragende Rolle spielen: als strukturgebendes Organ, als Entwicklungsbegleiter und als Sparringspartner für die sogenannte „NextGen“.
Rollen klären – Perspektiven öffnen
Zunächst gilt es zu unterscheiden: Nicht jede oder jeder aus der Nachfolgegeneration muss (und möchte) zwangsläufig in die Geschäftsführung einsteigen. Viele Familienunternehmen haben erfolgreich erfahren, dass eine verantwortungsvolle Gesellschafterrolle im Beirat mindestens genauso wirksam – und für manche Nachfolger auch stimmiger – sein kann.
Die Vorbereitung auf eine Beiratsrolle beginnt idealerweise frühzeitig. Ein strukturierter Weg dorthin kann über externe Stationen, gezielte Fortbildungen und Mentoring durch erfahrene Beiratsmitglieder führen. Dabei geht es nicht nur um betriebswirtschaftliche Kompetenzen, sondern auch um Governance-Verständnis, strategisches Denken und das Einnehmen einer übergeordneten Perspektive – losgelöst vom Tagesgeschäft.
Die Beiratsrolle als Einstieg in Verantwortung
Für Nachfolgerinnen und Nachfolger, die sich in einer aktiven Rolle im Gesellschafterkreis sehen, bietet ein Beiratsmandat einen geschützten Raum, Verantwortung schrittweise zu übernehmen. Die Rolle im Beirat fordert das strategische Urteilsvermögen – ohne den Druck des operativen Alltags. Gleichzeitig erhalten junge Familienmitglieder Einblick in Geschäftsprozesse, Unternehmenskennzahlen und Entscheidungsfindung – unter professioneller Begleitung.
Ein gut aufgestellter Beirat kann diesen Einstieg durch gezielte Maßnahmen fördern: zum Beispiel durch die temporäre Einbindung als Gast, durch die Entwicklung individueller Qualifizierungspläne oder die Einbindung in Arbeitsgruppen und Projekte. Wichtig ist dabei: Die Einbindung muss ernst gemeint und begleitet sein – als echtes „Development Track“ und nicht als dekorative Pflichtübung.
Beiräte als Begleiter für Management-Übergaben
In Fällen, in denen ein Nachfolger die Geschäftsleitung mittelfristig übernehmen soll, kann der bestehende Beirat eine zweite, ebenso wichtige Rolle einnehmen – als Prozessbegleiter der operativen Übergabe. Seine Mitglieder kennen das Unternehmen und die Geschäftsleitung im Idealfall schon länger und können – sofern extern besetzt – eine neutrale Instanz in der Definition und Beurteilung von Entwicklungsplänen für eine Managementnachfolge sein. Der Beirat kann sowohl als „Challenger“ der Übergabestrategie auftreten als auch als Coach für die NextGen, etwa durch Feedback zur Führungswirkung, strukturierte Zielvereinbarungen oder Evaluierungen.Eine solche Begleitung entfaltet dann besondere Wirkung, wenn sie auf einem gemeinsam definierten Rahmen basiert – etwa durch eine in der Familienverfassung verankerte Übergabelogik, Kompetenzprofile und Rollenbeschreibungen. Die Erfahrung zeigt: Je klarer die Erwartungen formuliert sind, desto stabiler verläuft der Übergang.
Case Study: Ein bewusster Weg in den Beirat einer jungen Nachfolgerin
Ein eindrucksvolles Beispiel liefert ein süddeutsches Familienunternehmen aus der einer technisch-geprägten Branche. Die Nachfolge stand an – doch die 28-jährige Tochter des Inhabers war unsicher, welche Rolle sie in Zukunft übernehmen sollte. Angeleitet von externen Coaches nahm sie an einem mehrstufigen Assessment teil, das nicht nur ihre fachlichen Kompetenzen, sondern auch ihre persönlichen Werte, Interessen und beruflichen Ambitionen analysierte. Das Ergebnis: Die Geschäftsführung erschien ihr weniger attraktiv als zunächst gedacht, eine Karriere außerhalb des eigenen Unternehmens und mit anderem thematischen Schwerpunkt schien stimmiger. Dennoch war der Wunsch da, als Gesellschafterin sich nicht ganz zu lösen, sondern strategisch mitzuwirken, ohne operativ eingebunden zu sein.
Auf dieser Grundlage entwickelte sie – gemeinsam mit dem Familienrat – einen Entwicklungsplan: Zunächst hospitierte sie als Gast in den Sitzungen des Beirats, begleitete die Diskussionen, stellte eigene Fragen. Parallel absolvierte sie ein einjähriges „Learning by Doing“-Programm als Assistentin eines Geschäftsführers in einem anderen, ähnlich großen Familienunternehmen. Ziel war es, Management aus nächster Nähe zu erleben, um später als Beiratsmitglied ein kompetenter Sparringspartner für die Geschäftsleitung des eigenen Unternehmens sein zu können.
Heute ist sie reguläres Mitglied im Beirat, fokussiert auf Internationalisierung und Digitalisierung – zwei Themen, die ihr am Herzen liegen und die sie mit externer Perspektive in den Familienkontext einbringt. Das Unternehmen profitiert von einem engagierten Familienmitglied im Gremium – und die Familie von einer gelungenen Rollenklärung.
Beirats-Professionalität als Schlüssel
Damit solche Übergänge gelingen, braucht es mehr als gute Absichten: Es braucht professionelle Strukturen, klare Rollen, definierte Prozesse – und einen Beirat, der mehr ist als ein Symbolgremium. Studien zeigen, dass mittlerweile über die Hälfte der deutschen Familienunternehmen einen Beirat haben – Tendenz steigend. Doch nur ein Bruchteil davon nutzt das Gremium aktiv zur NextGen-Entwicklung. Dabei wäre gerade hier ein enormer Hebel für nachhaltige Unternehmenssicherung gegeben.
Denn: Professionelle Beiräte schaffen nicht nur strategische Klarheit, sondern auch persönliche Sicherheit – für die nachfolgende Generation wie für die Übergebende. Sie ermöglichen Entwicklung statt Überforderung, Beteiligung statt Bevormundung – und tragen so dazu bei, dass das Lebenswerk der Familie in guten Händen bleibt.

Cornelia Sengpiel ist Principal bei AvS Advisors, einer auf Familienunternehmen spezialisierten Executive Search Beratung mit den Schwerpunkten Besetzung von Vorständen, Aufsichtsräten und Beiräten sowie Beratung zu Governance und Nachfolge-Themen.
Ihre Karriere begann sie im Brand Management bei Procter & Gamble und Wella sowie in der strategischen Beratung bei McKinsey und beriet viele Jahre Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen zu den Themen Kundenzentrierung, Transformation und Sustainability.
Cornelia Sengpiel studierte BWL mit einem dt.-span. Doppeldiplom, ist zertifizierter systemischer Coach und hat einen Master in angewandten kognitiven Neurowissenschaften.