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Wegzug des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft

nach der Gesetzesnovelle des ATAD-UmsG ab dem 01.01.2022

Von Domenik Wagener und Florian Haberger

 

Mit unseren Stifterbriefen 19.2021 und 20.2021 haben wir Ihnen bereits vor der in der Zwischenzeit umgesetzten Gesetzesnovelle des ATAD-Umsetzungsgesetzes1 die wesentlichen Änderungen in Wegzugsfällen von Unternehmern ins europäische und außereuropäische Ausland dargestellt.

 

Die Neujustierungen der Grenzen des deutschen Besteuerungsrechts zusammen mit dem ATAD-Umsetzungsgesetz und dem Körperschaftsteuermodernisierungsgesetz2 machen es im direkten Zusammenspiel beider Gesetzesnovellen erforderlich, sich als Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft mit diesen veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen zu befassen.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir die jüngsten Gesetzesnovellen zum Anlass, Ihnen in vier Teilen die wesentlichen Gesetzesänderungen durch das ATAD-UmsG und deren Auswirkungen vorzustellen. Sie nehmen Bezug auf

  • den Wegzug des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft (Teil 1),
  • den Wegzug eines Gesellschafters einer Personengesellschaft (Teil 2),
  • den Wegzug eines Vermögensinhabers mit Privatvermögen (Teil 3) und
  • der Deutschen Familienstiftung im Fall des Wegzugs (Teil 4).

Vor jedem Wegzug aus der Bundesrepublik Deutschland oder jeder Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft an eine ausländische Stiftung empfehlen wir Ihnen, stets im Vorfeld eine einzelfallgerechte Situationsanalyse und strategische Planung eines Wegzugs vorzunehmen.



VORSICHT BEI WEGZUG, SCHENKUNG ODER ÄNDERUNGEN VON DOPPELBESTEUERUNGSABKOMMEN

Künftig reduziert sich die fiktive Wegzugsbesteuerung nach § 6 Absatz 1 AStG auf folgende drei Fälle:

  1. die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (= Wegzug),
  2. die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (= Schenkung) sowie
  3. den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (= Änderungen von Doppelbesteuerungsabkommen).

Als Auffangtatbestand erfasst § 6 Absatz 1 Nr.3 AStG hierbei sämtliche Fälle, in denen es zu einer veränderten Bewertung der steuerlichen Ansässigkeit eines Steuerpflichtigen oder der Methodik der Anrechnung in Doppelbesteuerungsfällen kommt.

 

Hierzu reicht bereits eine Änderung eines Doppelbesteuerungsabkommens aus, durch die das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt wird.


Welche direkten Auswirkungen haben die Gesetzesänderungen im Wegzugsfall für den Gesellschafter einer Kapitalgesellschafter?

Bestand nach der bisherigen Gesetzesfassung des § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) für in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Privatpersonen im Wegzugsfall in einen EU-Mitgliedstaat oder einen EWR-Staat die Möglichkeit einer unbefristeten zinslosen Stundung der fiktiven Wegzugsbesteuerung ohne Sicherheitsleistung, so besteht diese Möglichkeit nach der Gesetzesneufassung durch das ATAD-UmsG nicht mehr.

 

Vielmehr ergibt sich nach der Neufassung des § 6 AStG eine Gleichstellung von EU/EWR- und Drittstaatsfällen. Für Wegzugsfälle ab dem 01.01.2022 ergibt sich künftig allein die Möglichkeit einer Ratenzahlung der Wegzugsbesteuerung über einen begrenzten Zeitraum von sieben Jahren in gleichen Jahresraten gegen entsprechende Sicherheitsleistung.

 

Werden die von der Wegzugsbesteuerung erfassten Anteile an einer Kapitalgesellschaft dann veräußert oder übertragen, entfällt die Ratenzahlungsmöglichkeit5 sogar innerhalb eines Monats ab diesem Ereignis.


Wechselwirkungen mit dem neuen Optionsmodell des KöMoG

Vorsicht ist auch im Zusammenhang mit den Verlockungen des neu mit § 1a KStG eingeführten Optionsmodells durch das KöMoG geboten. Hiernach kann der Gesellschafter einer Personengesellschaft unter den Voraussetzungen des neu ins Körperschaftsteuergesetz eingeführten § 1a KStG bedarfsweise die steuerliche Behandlung einer Personengesellschaft als Kapitalgesellschaft wählen.

Wird von dem Optionsmodell des § 1a KStG allerdings Gebrauch gemacht, unterfallen diese Anteile der Personengesellschaft damit wie Anteile an einer Kapitalgesellschaft der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG.

Bei einer vorausschauenden Steuerplanung wird künftig also auch im Zusammenhang mit dem Optionsmodell des § 1a KStG ein besonderes Augenmerk auf Wegzugsfälle und DBA-Fälle liegen müssen.

Neue Legaldefinition des „unbeschränkt Steuerpflichtigen“ (§ 6 Absatz 2 AStG)

 

Erfreulicherweise bringt die Gesetzesnovelle des § 6 Absatz 2 AStG eine zeitliche Beschränkung des bisherigen unbegrenzten Betrachtungszeitraums für eine unbeschränkte Steuerpflicht mit sich.

 

Erstmalig sieht § 6 Absatz 2 AStG eine eigenständige Definition des „unbeschränkt Steuerpflichtigen“ vor. Hiernach sind natürliche Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die in den letzten zwölf Jahren vor dem Veräußerungsereignisses mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Dabei muss eine unbeschränkte Steuerpflicht nicht durchgängig vorliegen.

 

Kehrt eine unbeschränkt steuerpflichtige Person nach Deutschland zurück sieht § 6 Absatz 3 AStG hierfür die Möglichkeit des Entfallens der Wegzugsbesteuerung vor. Die Neuregelung in § 6 Absatz 2 Satz 4 AStG sieht in solchen Fällen für Rückkehrer vor, dass deren unbeschränkte Steuerpflicht und ggf. die deren Rechtsnachfolger gesetzlich zu unterstellen ist.

 

Vor diesem Hintergrund stellt sich für Anteilsinhaber einer Kapitalgesellschaft (mindestens 1% im Privatvermögen) in vielen Lebenslagen bereits vor dem Wegzug aus Deutschland die Frage, welche steuerlichen Auswirkungen ihr Wegzug haben kann.

 

Ob bei der eigenen Ruhestandsplanung im Ausland, der Aufnahme eines Studiums durch die Nachfolgegeneration im Ausland oder einer grenzüberschreitenden Erb- oder Schenkung bietet sich für solche Anteilsinhaber stets eine genaue Situationsanalyse an.

 

Im nächsten Teil unseres Stiftungsbriefs geben wir Ihnen einen Überblick über die steuerlichen Auswirkungen für die Gesellschafter einer Personengesellschaft.

1 ATAD-UmsG, Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie vom 25.06.2021, BStBl. I 2021, 2035 2 KöMoG, Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25.06.2021,

2  BGBl. I 2021, 2050

3 § 6 Absatz 5 Satz 1 AStG a.F.

4 ebenda

5 nach § 6 Absatz 4 Satz 5 AStG