Ambidextrie – die Zukunft mit beiden Händen packen

VON GUDRUN L. TÖPFER

 

Tatsächlich ist Ambidextrie nichts Neues, jedoch ist die Dringlichkeit gestiegen, sich damit zu befassen. Was leistet Ambidextrie für Unternehmen? In einem Satz: Sie ermöglicht Unternehmen, langfristig fortzubestehen und ihre Substanz zu erhalten sowie gleichzeitig Innovationskraft und Beweglichkeit zu fördern. Dies sind zwei Ziele, die für Unternehmen einen oft unüberwindlichen Widerspruch bilden. Diesen gilt es aufzulösen – das Instrument dafür ist Ambidextrie.

Dr. Gudrun L. Töpfer ist Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Wechselwerk. Als Arbeits- und Organisationspsychologin hat sie an verschiedenen Stationen – von Start-Up über die Hochschule bis zum Konzern war alles schon dabei – Erfahrungen über die Prozesse im „System Unternehmen“ gesammelt. Die Ambidextrie wurde vor diesem Hintergrund mehr und mehr zu einer umfassenden Klammer, so dass sie zu diesem Thema schließlich promovierte und ein Instrument zur Messung der Ausprägungen von Ambidextrie entwickelte.

Mit der Erkenntnis im Gepäck, dass die Ambidextrie ein gutes Instrument ist, mit dem man Organisationen verbessern kann, ohne bestehende Systeme zu verwerfen, gründete sie 2020 den Thinktank Ambidextrie, der sowohl das Konzept als auch die dazu passenden Instrumente für Organisationen verständlich und zugänglich machen möchte. 

Als Herausgeberin für die Reihe „Arbeitsschutz Office“ engagiert sie sich außerdem für ein gesundes und menschenorientiertes Arbeiten. 2020 wurde sie vom Bundeswirtschaftsministerium als Vorbildunternehmerin ausgezeichnet. Gudrun L. Töpfer lebt mit Kind und Kegel in Freiburg/Breisgau.


Warum ist das Thema auf einmal relevant?

Wörtlich übersetzt bedeutet Ambidextrie „Beidhändigkeit“, also die Fähigkeit, mit der linken und der rechten Hand zu schreiben. In Bezug auf Unternehmen ist der Begriff schon in den 1970er Jahren aufgetaucht. Als von Agilität und Digitalisierung noch lange nicht die Rede war, wurde schon beobachtet, dass Unternehmen in zwei möglichen „Betriebssystemen“ laufen können. Für unsere heutigen Zeiten können wir viele Begriffe finden, um uns jeweils dem Kern dieser beiden Betriebssysteme zu nähern:

 

Ambidextrie: die Organisation - sortiert

Anders als viele kurzfristig orientierte Modelle ist das Ziel von Ambidextrie, dass das Unternehmen langfristig fortbesteht – nicht Kostenreduzierung, nicht Gewinnmaximierung, sondern die Schaffung von Strukturen, die das Unternehmen erhalten helfen.

 

 

Schlecht balancierte Ambidextrie

Beide Modi sind für Unternehmen wichtig und man kann keinen der beiden Modi guten Gewissens einfach vernachlässigen. Das Problem ist, dass sie widersprüchlich funktionieren und ihre Grundannahmen, Werkzeuge und Zielsetzungen verschieden sind. Dies macht das individuelle Ausbalancieren zu einem Handlungsfeld für Unternehmen und begründet gleichzeitig den Forschungsbereich der organisationalen Ambidextrie. Es ist nämlich gar nicht so einfach, ein sinnvolles Modell zu finden, wie man beide Modi im Sinne der Unternehmensziele ausbalancieren kann. Engagiert man sich zu stark im Exploit-Modus, wirkt das Unternehmen wie festbetoniert: Innovationen haben es schwer, sich durchzusetzen und Veränderungen werden eher skeptisch umgesetzt und zögerlich angenommen. Bei zu viel Fokus auf den Explore-Modus wird sehr viel ausprobiert, es wird getüftelt, aber wenig wird in stabile Prozesse überführt. Im schlimmsten Fall äußert sich dieser Modus in schlechten Arbeitsergebnissen, schwacher Leistung, Doppelarbeit und allgemeinem Zuständigkeitschaos.

 

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