VON THORSTEN KLINKNER
Nur noch bis zum 30. Juni 2016 greifen die bislang gültigen Regeln für die steueroptimierte Unternehmensübergabe. Danach wird es vermutlich teurer für die Nachfolger. Aber das ist kein Grund für
eine Kurzschlussreaktion und eine hektische Übergabe: Die Stiftung als Option beispielsweise kann für eine langfristige Sicherung sorgen.
Jetzt ist die Entscheidung gefallen, auf die so viele Unternehmer gespannt gewartet haben. Am 17. Dezember, also gestern, hat das Bundesverfassungsgericht die §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des
Erbschaftsteuer‑ und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt. Die Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer sei zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden,
aber in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar, verkündeten die Richter. Der Übergang von Unternehmensvermögen – also im Regelfall die Weitergabe von
Gesellschaftsanteilen – ist bislang in Deutschland insofern begünstigt, als dass entweder 85 Prozent oder 100 Prozent des Vermögens erbschaftsteuerfrei übertragbar sind; je nachdem, ob eine fünf-
oder siebenjährige Haltefrist am Unternehmen seitens des Erben, des Beschenkten oder der errichteten Stiftung wahrgenommen wird.
Der Grund für die Entscheidung der Karlsruher Richter: Die Vergünstigung von Unternehmensübertragungen sei unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen
hinausgreife, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig seien die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die
Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 Prozent. §§ 13a und 13b ErbStG seien auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu
nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße hätten laut den Richtern zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG
unvereinbar seien.
Gleichzeitig haben die Richter jedoch einen Übergangskorridor geschaffen. Die Inhaber von Unternehmen sowie die künftigen Erwerber haben, wie es das Gericht überzeugend formuliert, „ein
berechtigtes Interesse an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerrechtlicher Hinsicht“. Eine Ungewissheit über den Inhalt einer künftigen dann mit Rückwirkung
auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils in Kraft zu setzenden Regelungen sei schwer erträglich. Aus diesem Grund sind die aktuellen Vorschriften, die eben bis zu 100 Prozent Steuerbefreiung
für die Übertragung von Betriebsvermögen vorsehen, bis zum 30. Juni 2016 weiter anwendbar. Damit können Senior-Unternehmer grundsätzlich noch für 18 Monate nach den Regeln der „alten Welt“ ihr
Betriebsvermögen weitergeben und damit in den Genuss der steuerlichen Vergünstigungen kommen. Eine Ausnahme gilt für die „exzessive Ausnutzung“ gerade der als gleichheitswidrig erkannten
Regelungen. Insoweit besteht kein Vertrauensschutz für eine rückwirkende Neuregelung des Gesetzesgebers. Eine rechtssichere Planung und Umsetzung der Unternehmensnachfolge kann daher im
Übergangszeitraum auf der Grundlage einer genauen Analyse der umfangreichen Urteilsbegründung erfolgen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die steuerliche Begünstigung unternehmerischen Vermögens ausdrücklich als legitimes Ziel anerkannt. Es daher zu erwarten, dass produktive – insbesondere
familiengeführte – Vermögen auch künftig begünstigt sind. Selbst bei einer generellen Besteuerung der Unternehmensübertragung ließen sich voraussichtlich langfristig Strategien zur
Sicherung von Unternehmen, Vermögen und Nachfolge und zur Schaffung von festen und echten Eigentümerstrukturen erarbeiten. Jedes Urteil und jede Anpassung durch den Gesetzgeber schafft auch
Chancen und Möglichkeiten. Diese zu nutzen, wenn sie sich bieten, darin liegen die echten strategischen Vorteile für einen Unternehmer und dessen Erben. Denn es kommt nicht nur auf steuerliche
Vergünstigungen an, um in einer Nachfolgesituation ordentliche und sichere Strukturen schaffen zu können. Auch Perspektiven, Wachstumsmöglichkeiten und mehr spielen eine Rolle, und diese
strategischen Fragestellungen werden durch eine Änderung der Erbschaftsteuer zwar möglicherweise verkompliziert, aber nicht unmöglich gemacht.
Und es gibt Alternativen zu herkömmlichen Rechtskonstruktionen, die dauerhaft Sicherheit schaffen können und dabei helfen, strategisch wertvolle Strukturen zu errichten. Die privatnützige
Stiftung ist eine solche Option, die einen genauen Blick lohnt. Sie zieht eine Brandmauer um eine funktionierende Ertragsquelle, indem sie diese, zum Beispiel ein Unternehmen oder einen
Immobilienbestand, von den persönlichen und familiären Risiken trennt und dauerhaft stabilisiert. Zudem wird die Erbschaftsteuer in der Form der Erbersatzsteuer – unabhängig von einer etwaigen
zusätzlichen steuerlichen Begünstigung – planbar und wirtschaftlich kalkulierbar. Es handelt sich um einen Steuerabfluss, mit dem der Unternehmer im wahrsten Sinne des Wortes rechnen kann. Ganz
im Gegensatz zum „Damoklesschwert“ Erbschaftsteuer, das außerhalb der vorweggenommen Erbfolge zu einem plötzlichen, kurzfristigen Liquiditätsentzug führt.
Eine individuell ausgearbeitete Stiftungs-Strategie unterstützt dabei, eine dauerhaft gültige Eigentümerstruktur für ein Unternehmen oder ein Investment-Portfolio zu schaffen. Die Stiftung wird
durch Schenkung oder Erbschaft zur Eigentümerin des Unternehmens, hat aber selbst gleichzeitig keine Eigentümer. Sie ist eine juristische Person, an der keine Mitgliedschafts- oder
vermögenswerten Beteiligungsrechte bestehen, sie hat weder Gesellschafter noch Aktionäre. Damit kann die Stiftung nicht wie ein Unternehmen beispielsweise in der Gesellschaftsform der GmbH
aufgelöst oder veräußert werden, selbst wenn sie eine solche GmbH als Ertragsquelle betreibt. Die familiären Prinzipien, Werte und Leitlinien können in der Satzung verankert werden,
gegebenenfalls zusätzlich flankiert durch eine Familienverfassung. Die Stiftung erhält damit das Unternehmen für die Familie und sichert es sowohl als finanzielle Versorgungsbasis als auch als
„philosophische Schatzkammer“ für die Familienwerte und die Familienkultur.
Was will ich wirklich? Persönlich, für meine Familie, das Unternehmen und das Familienvermögen? Die eingehende Reflektion dieser und darauf aufbauender Fragen ist die kraftvolle Grundlage einer
gelungenen Stiftungs-Strategie. Änderungen der Steuergesetze vereinfachen oder verkomplizieren als ein wesentlicher Faktor die technische Umsetzung. Sie bringen einen Unternehmer mit einem klaren
und authentischen Ziel jedoch nicht vom Weg ab. Es gibt immer Möglichkeiten.