Was will ich als Unternehmer wirklich?

VON THORSTEN KLINKNER


Erträge sind wichtig für ein Unternehmen – aber sie sind für strategisch denkende Familienunternehmer oft nur Mittel zum Zweck. Das Wesentliche für solche Persönlichkeiten ist oft etwas anders: nämlich der Erhalt und die Sicherung einer echten Philosophie, eines Wertekosmos in Unternehmen und Familie.

In der Öffentlichkeit wird gerne vermutet, dass Unternehmer ihre gesamte Struktur nur auf die Optimierung von Kennzahlen und die Ertragsmaximierung ausrichten. Und auch Beratungsprogramme und akademische Forschungen sind auf diesen Bereich fokussiert, um Unternehmen die Werkzeuge dafür an die Hand zu geben, Kosten zu senken und Gewinne zu steigern.


Doch gerade bei Familienunternehmern ist diese Perspektive zu eng. Natürlich sind auch sie bemüht, ihre Organisationen langfristig ertragsstark aufzustellen und Schwächen in der Struktur auszugleichen. „No Margin, no Mission“. Aber das ist oft nicht das Eigentliche in Denken und Handeln dieser besonderen Persönlichkeiten. Sie haben vielfach einen zusätzlichen Fokus, der weit über die Ausschüttungen hinausgeht.


Wertebasierte Familienunternehmer stellen sich immer häufiger und zu Recht die Frage: Was will ich wirklich? Woran liegen die (unausgesprochenen) Herausforderungen in der Familie? Wie gieße ich meine ethischen oder sogar philosophischen Vorstellungen, die mit der Führung des Unternehmens eng verbunden sind, in eine Struktur und bringe sie mit meiner Eigentümerschaft in Einklang? Und wie schaffe ich es, dass das Unternehmen so über die Generationen hinweg geführt wird, wie ich es erdacht und angelegt habe?


Im Mittelpunkt der Beantwortung dieser Anliegen steht die Erarbeitung einer Eigentümerstruktur. Diese kann Kern einer individuellen Stiftungs-Strategie sein. Eigentümerstruktur? In einer Stiftungs-Strategie? Das klingt erst einmal etwas merkwürdig, verlieren sich doch alle vermögenswerten Mitgliedschafts- und Beteiligungsrechte an einer Ertragsquelle, sobald die Vermögensmasse in eine Stiftung übertragen worden ist. Sei es lebzeitig per Schenkung oder als Erbschaft – das Vermögen wird verselbstständigt unter dem eigentümerlosen Dach der Stiftung.

Wie kann also eine Eigentümerstruktur entwickelt werden, wenn gleichzeitig eine Stiftung als Rechtsinstrument eingesetzt wird?


Der Begriff Eigentümerstruktur darf an dieser Stelle nicht allein hinsichtlich von Besitzrechten aufgefasst werden, sondern betont weitaus mehr: Es geht bei der Implementierung einer solchen Eigentümerstruktur um den psychologischen und emotionalen Aspekt hinter der Unternehmens- und Familienführung und darum, ein solches Familienunternehmen transgenerational fortführen zu können und Kontrollrechte auf der Grundlage einer bestimmten Kultur zu sichern. Selbst  wenn ein Fremdmanagement tätig wird, weil sich aus der Familie kein Nachfolger fürs Operative rekrutiert.


Deshalb hebt die Eigentümerstruktur in diesem Kontext darauf ab, eine „philosophische Brandmauer“ um das Unternehmen zu ziehen und die Basis dafür zu schaffen, dass die geistigen Werte, die für die allermeisten Familienunternehmer den gleichen Rang haben wie die Vermögensgegenstände im betriebswirtschaftlichen Sinn, bei der Führung der Ertragsquelle erhalten bleiben. Es gilt sogar für zahlreiche Familienunternehmen die Regel, dass nur eine gefestigte Eigentümerstruktur im emotional-psychologischen Sinne überhaupt langfristig die Möglichkeit bietet, ein Unternehmen auch wirtschaftlich erfolgreich führen zu können.


Diese Ebene ist deshalb nicht zu vernachlässigen und stellt einen wesentlichen Faktor in einer gelungenen Unternehmens- und auch Familienstrategie dar. Die Kontinuität der Familieneigentümerschaft wirkt nach der ausgezeichneten wirtschaftshistorischen Studie von Markus Plathe, Torsten Groth, Volker Ackermann und Arist von Schlippe (Große deutsche Familienunternehmen: Generationenfolge, Familienstrategie und Unternehmensentwicklung) überwiegend unternehmerisch förderlich. Aber das ist nur Mittel zum Zweck, wie schon Jim Collins in Der Weg zu den Besten (S. 246) formuliert hat: „Für ein echtes Spitzenunternehmen sind Geld und Gewinne nichts anderes als Blut und Wasser für einen gesunden Körper: Sie sind zwar lebenswichtig, machen aber nicht das Wesentliche im Leben aus.“


Die echte Aufgabe, die vor dem Unternehmer liegt, ist die, das Wesentliche zu erhalten, das das Unternehmen wirklich ausmacht. Und das ist eben der ethische, der philosophische, der gesamte Wertekosmos einer über die Generationen hinweg aufgebauten und mit großem persönlichen Einsatz entwickelten und geführten Ertragsquelle.


Ein Familienunternehmen ist Schatzkammer von Werten, Emotionen und psychologischen Verpflichtungen, die weit über den Unternehmer an sich heraus reichen: Sie gelten für die Familie ebenso wie für die folgenden Generationen, aber auch für die Mitarbeiter und Führungskräfte, Partner und Lieferanten und prägen die Stellung eines Unternehmens in der Öffentlichkeit.

Der Psychologe und Sozialtherapeut Rudolf Dreikurs fragt in seinem lesenswerten Buch Selbstbewußt. Die Psychologie eines Lebensgefühls (1971): „Gibt es eine Philosophie, die mich leiten und die mir und meinen nächsten Menschen Glück vermitteln kann?“ (S. 17)


Das ist genau der Kern der Debatte um die Entwicklung einer Eigentümerstruktur im Kontext einer Stiftungslösung. Der Unternehmer bringt seine Philosophie als ethischen und wirtschaftlichen Grundsatz in die über die Stiftung rechtlich verselbstständigte und damit gesicherte Eigentümerstruktur mit ein, die dadurch unabänderlich wird. Kein Erbe, kein Fremdmanager kann sich gegen diese Leitlinie richten, da sie in der Stiftungssatzung als Kernelement des Wirtschaftsbetriebs verankert ist. Dadurch gewinnt er und Ruhe und Sicherheit und hat das Wesentliche für sich selbst gestaltet: die Sicherung seiner Werte und die Verpflichtung, das Unternehmen innerhalb der Stiftung nach seinen Grundsätzen zu führen.


Ausgehend von dieser Wurzel sichert die Stiftung selbst durch ihre eigentümerlose Struktur rechtlich auf Dauer das Fortbestehen des Unternehmens (Aufgabe, Verkauf oder Zersplitterung sind nicht möglich) und sorgt durch die Erbersatzsteuerregelung für eine steuerlich planbare Vermögensübertragung.